1. Walpurgisnacht 01


    Datum: 10.10.2016, Kategorien: Erotische Verbindungen,

    nass zu machen. „Das ist, nehme ich an, eine Gegenmaßnahme der Quedlinburger“, sagte Bechstein, während er auf den Wagenkasten stieg. „Weil die Dorfbewohner mehr Bier produzieren, als sie für den Eigenverbrauch benötigen.“ „Na, und?“ Mit einer Handbewegung gab ihm der Professor zu verstehen, das Thema fürs Erste nicht weiter zu behandeln. Sie rollten am Gasthaus vorbei. Der aufgebrachte Wirt schimpfte den abrückenden Quedlinburgern hinterher, die Faust erhoben. Die Bäuerin hatte ihre Mistgabel in den vom Bier getränkten Boden gesteckt und guckte grimmig, was Haribald bei der Menge vergeudeten Bieres gut verstehen konnte. „Nach Blankenburg?“, fragte er schüchtern. Die Bäuerin wies mit der Hand in die Richtung der Kirche. Noch lange hörten die Reisenden das Zetern des Wirtes, der Frauen und der Bäuerin. Bei Dämmerung trafen Professor Bechstein und Haribald in Blankenburg ein. Der Wächter hatte bereits Fackeln angezündet und wollte gerade das Tor schließen, wies ihnen mürrisch den Weg. Haribald brachte die Kutsche vor dem Gasthaus Goldener Gockel in der Poststraße zum Stehen, ließ Bechstein absteigen und folgte ihm mit dem Gepäck. Die Tür war niedrig, der Schankraum düster. Bechstein musste sich bücken und auf der Schwelle warten, bis sich seine Augen an das Zwielicht gewöhnt hatten. „Wir bringen Euer Pferd in den Stall hinter dem Haus“, schlug der Wirt vor, ein mageres Wiesel mit dürren Beinen und fusseligem Bart, der mehr mit seinen Händen als mit der Zunge sprach. „Nicht ...
    nötig“, winkte Professor Bechstein ab. „Das schläft bei mir.“ „So witzig“, sagte Haribald. „Könntet Ihr bitte die Kutsche unterstellen? Zeigt dann meinem Assistenten den Stall, damit er sie später finden kann.“ „Braucht er Stroh?“ „Nein, er speist mit mir. Sonst rennt er morgen wieder so langsam.“ Die Wirtsstube war klein und verräuchert. Im Kamin flackerte ein Feuer. Vier Männer an einem der Tische, sonst war niemand im Gasthaus. Der Professor zog sein Barett und grüßte. „Besuch“, sagte ein dicker Mann mit vollem Bart, wie ihn Kaiser Karl V. getragen hatte. Unter seinem Wams wölbte sich ein mächtiger Bauch über den Bund der Pluderhose. Die Spieler legten ihre Karten zur Seite und tranken fast synchron von ihrem Bier. Der offene Kamin in ihrem Rücken knackte und knisterte, das Holz warf Funken in den Raum. In der Luft lag der würzige Geruch von Tanne. „Guten Abend, der Herr“, sagte der Dicke. „Was führt Euch nach Blankenburg?“ Bechstein zögerte. Auf der zweiten Stufe hielt der Wirt inne. Welch ungünstig direkte Frage, dachte Bechstein. Gemacht für eine günstig indirekte Antwort. „Der Mensch.“ Sein Schritt in den Raum war halblang. „Der Mensch?“, wiederholte der Dicke und lachte herzlich. „Kennen wir ihn?“ Ein großer, blonder Mann mit ernstem Gesicht und spitzem Kinnbart schlug ihm den Ellenbogen in die Rippen. Der Dritte, hager und asketisch im Körperbau, rieb sich schweigend seine krumme Adlernase und sah dabei zu Boden, ein kräftiger Mann mit Halbglatze ließ ungeduldig die ...
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