1. Walpurgisnacht 01


    Datum: 10.10.2016, Kategorien: Erotische Verbindungen,

    Sonntag, 28. April 1599 Dunkle Wolken hatten sich über dem Land zusammengezogen. Schwarz und schwer bedeckten sie den Morgenhimmel über dem Harz. Der Wind frischte auf, drückte die Kronen der mächtigen Eichen, der hellgrün belaubten Kastanien, der dunklen Tannen nieder, dann prasselten die ersten Körner herab, wehten in Schwaden über den Wald. Leichter Donner rollte, ein Blitz zuckte über den schwarzen Himmel. In Sekunden waren Felder und Wiesen mit einer weißen Schicht überzogen. Eisige Wasserfälle flossen an den Bäumen herab, Hagel peitschte vom Wind getrieben über Wege und Seen, Dächer und Felder. Tiere suchten Zuflucht unter Bäumen, Bauern ließen ihre Pflüge stehen und hasteten zum Waldrand, Reiter zogen ihre Mäntel weit über den Kopf und stießen den Pferden die Hacken in die Flanken. Der Hagelschauer fegte von Ost nach West über den Harz hinweg, und als auf dem Brocken die ersten Hagelkörner fielen, riss über Aschersleben die Wolkendecke bereits wieder auf. Die Sonne kam hervor, der Hagel strahlte grell, taute zu blassen Pfützen und versickerte zwischen Krokussen, Hyazinthen und dem ersten blauen Lattich. An jenem Tag, während er von Quedlinburg kommend in die Ausläufer des Harzes vordrang, schlief Professor Ludwig Bechstein unruhig und träumte hektische, kurze Träume, die aufflammten und erloschen wie Lichtreflexe auf einem Wasserfall. Sein Kopf mit dem pelzbesetzten Barett war leicht zur Seite gekippt, wippte auf und ab, rollte in einem Halbkreis nach vorne, bis der ...
    Professor mit einem leisen Grunzen die Nase in den Fahrtwind hob und mit faltigen Lippen schmatzte. Anschließend kippte der hagere Kopf wieder nach rechts auf die Schulter, und das Spiel begann von neuem. Schwankend träumte er von seinem Ziel, das zwei Jahre zuvor zu seiner heiligen Mission geworden war, eine Mission, die den Horizont des Menschen erweitern sollte, die schließlich einen weiteren Beitrag zur enzyklopädischen Bildung des Menschen im Sinne Erasmus von Rotterdams darstellen würde. Im Traum tanzten schon vor Langem beiseite gelegte Bücher um ein Feuer herum, fraßen Singvögel Heilkräuter, kochte die Natur selbst in Gestalt einer großen Eiche Suppe in einem großen Kessel. Bechstein oblag es, jedem Vogel und jedem Kraut einen Namen zu geben. Bevor er es schaffte, stand er wieder in Greifswald an der Universität und erhielt erneut eine Ehrung für seine Veröffentlichungen. Mein bescheidener Ruf, träumte der Professor, jetzt sollte, Gutenberg sei gedankt, eine Buchreihe über den Menschen folgen und den Ruf vergrößern. Rückkehr zu den Quellen, war es vom Professor Bechstein Haribalds Vater gegenüber genannt worden, Grundlagenforschung. Bechstein hatte von einem alten Freund in Stettin den Auftrag bekommen, dessen Sohn Haribald gegen großzügige finanzielle Unterstützung auf seine Forschungsreise mitzunehmen. Als Gegenleistung sollte dem Jungen eine umfassende Erziehung zuteil werden, die ihm bislang versagt geblieben war. Bechstein hatte versprochen, den Jungen seinen ...
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