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Rameaus Geburtshaus
Datum: 23.05.2017, Kategorien: Erotische Verbindungen,
ein Stand." "Aber du hast doch gesagt, es ist ganz nahe!?" "So nahe ist es nun auch wieder nicht." "Wie lange würde man den zu Fuß gehen." "Eine Viertelstunde -- zwanzig Minuten schon." "Dann ist es doch nicht so nahe, sondern einmal quer durch die Stadt." "Hast du eine Ahnung, wie groß Dijon ist -- einmal quer durch die Stadt, na, du bist gut!" "Hab ich ja nur zum Spaß gesagt -- norddeutscher Humor, du weißt ja." "Geht das jetzt schon hier los! Also komm!" Aber bevor wir loszogen, fiel mir noch etwas ein: Ich hatte eine Eingebung und hatte mir auch meine Ausgabe von Rameaus Cembalowerken eingepackt. Sie zu holen huschte ich schnell in den dritten Stock, um nicht erst auf den Garçon warten zu müssen, schnell in mein Zimmer, die Noten aus dem Koffer geholt und wieder in die Halle geflitzt -- das alles, bevor Gaston dieses Ganze richtig begriff. "Du hast doch gesagt, ihr habt ein Klavier", sagte ich nur zur Erklärung. Das Taxi fuhr dann auch eine ganze Weile und um mehrere Ecken, bis wir in einem Villenviertel vor einem zweistöckigen, offenbar älteren Haus standen. "Das ist das Haus von Augustes Eltern", erklärte Gaston, "wir wohnen oben, unten haben wir an einen amerikanischen Gastprofessor vermietet, der ist jetzt in den Semesterferien drüben, und wir haben das Haus für uns." Wie stiegen die Treppen hoch, und oben erwartete uns schon Auguste, in schöner Unkompliziertheit noch mit Küchenschürze. "Entrez, Mesdames, Messieurs!" "Auguste", sagte Gaston, "du kannst doch mindestens ... so gut Deutsch wie ich --" "M, hm", machte Auguste. "-- ich würde vorschlagen, wir reden Deutsch mit Melanie." "Wenn Sie meinen, Monsieur", sagte Auguste, ihren Göttergatten spaßhaft siezend; "sei willkommen bei uns, Mélanie." "Kann ich dir noch was helfen?", fragte ich. "Vielen Dank, es steht alles schon auf dem Tisch; Gaston, such uns mal einen Wein aus!" "Wie magst du es denn, Melanie, lieber trocken oder lieber lieblich?" "Wie ich es mag, sag ich nicht --", an dem Blitzen in Gastons Augen merkte ich, daß ich doch etwas vorsichtiger mit meinen Worten hätte sein sollen --, "aber Wein mag ich lieber lieblich." "Endlich mal ein deutsches Wesen, das nicht nur sec-sec mag", freute sich Auguste. "Ich habe hier verschiedene demi-sec -- und hier auch einen doux --" "Probieren wir mal den doux", sagte ich vorlaut. "Sehr gut!", sagte Auguste erfreut. Als Gaston die Flasche geöffnet hatte, führten mich die beiden ins Eßzimmer mit dem festlich gedeckten Tisch. Ich sah gleich die Riesen-Käseplatte mit vielen verschiedenen Camembert- und Brie-Sorten. Das war es also, was Gaston Auguste zugeflüstert hatte. Wie immer oder jedenfalls meistens, wenn mir etwas besonders Gutes, Schönes und Liebes widerfuhr, kamen mir die Tränen. Das wiederum bemerkte Auguste sofort und erriet wohl auch den Grund für mein Heulen; sie umarmte mich innig, ich hauchte ein fast unhörbares "Danke!", und dabei fielen meine Noten zu Boden, die ich unter den Arm geklemmt hatte. Gaston und Auguste halfen mir die Noten ...