1. Rameaus Geburtshaus


    Datum: 23.05.2017, Kategorien: Erotische Verbindungen,

    Käseplatte vorbereitet hatte -- die Gute, wohl während ich mit ihrem Mann im Bett war, mußte sie wieder mit Tränen in den Augen umarmen und ",je n'en mérite`" sagen, ob das nun grammatisch richtig war oder nicht. Währenddessen war auch Gaston fertig angezogen, korrekt mit weißem Hemd und Krawatte, und wir aßen unser letztes gemeinsames Frühstück -- wohl deswegen waren wir sehr schweigsam, aber wie vor allem aus Augustes freundlichem Gesichtsausdruck abzulesen war, herrschte keine Verstimmung, im Gegenteil, sie kommunizierte nonverbal durch immer wieder applizierte Streicheleinheiten an Gastons und meiner Hand. Und sehr rechtzeitig mahnte uns Auguste: ",Il faut que vous vous en alliez maintenant! Toujours, les trains internationaux sont très ponctuels.`" Die Gute dachte auch an alles! So hatten wir reichlich Zeit, und ausgiebig, kuß- und tränenreich zu verabschieden, bis die Zeit wirklich anfing knapp zu werden. Auch dies wollte Auguste noch loswerden: "Komm doch bald einmal wieder -- und mit Dieter!" Schließlich ergriff Gaston resolut mit einem ",allons, enfants de la patrie`" meinen Koffer, schmiß ihn ins Auto, mich hinterher auf den Beifahrersitz und bretterte mit leicht überhöhter Geschwindigkeit durch die morgendlich verschlafene Stadt zum Bahnhof. Wir hatten so wieder einige wertvolle Minuten gewonnen, und Gaston konnte gemessenen Schrittes mit mir durch die Bahnhofshalle schreiten. Hier fiel mir zum ersten Mal in meinem Leben bewußt ein besonderer Männerstolz auf. ...
    Männer können stolz auf ihre Leistungen sein, auf ihr Wissen und Können, auf ihr handwerkliches und geschäftliches Geschick, auf eine schöne Frau und auf wohlgeratene Kinder, auch auf die Reihe der von ihnen schon vernaschten Frauen -- aber etwas noch ganz anderes ist der Stolz des Mannes, der neben einer soeben von ihm beschlafenen Frau daherschreitet. Ich kann das nicht beschreiben, das ist ein Armutszeugnis! Ich sage doch meinen Schülern im Deutschunterricht immer: "Beschreibt eure Gefühle, versucht es wenigstens! Alle Gefühle kann man beschreiben, wenn man es will." Aber nein, für diesen speziellen Männerstolz fehlen mir passendere Worte als das Gestammel hier. Gaston führte mich zu dem Bahnsteig, von dem der Marseiller Zug abfahren sollte, und wir erreichten ihn, als mein Zug gerade angesagt wurde. Gaston half mir noch beim Einsteigen und beim Suchen eines unbesetzten Fensterplatzes, denn meine Platzkarte war wegen der Verschiebung meiner Rückfahrt leider verfallen, und daran, eine neue zu besorgen, hatten wir in unserem Liebesrausch nicht gedacht. Aber es fand sich ein Platz, sogar in einem Nichtraucherabteil, wir herzten und küßten uns zum allerletzten Abschied, Gaston kannte offenbar die Zeitintervalle zwischen den verschiedenen Pfiffen bei der französischen Staatsbahn, und der Zug fuhr genau in der Sekunde ab, als Gaston wieder auf den Bahnsteig gesprungen war und die Waggontür zugeschlagen hatte. Ich winkte aus dem Fenster, solange Gaston noch zu sehen war, dann war ...