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Rameaus Geburtshaus
Datum: 23.05.2017, Kategorien: Erotische Verbindungen,
d'illusions!`" Es gelang mir nicht, auch nur ein sinnvolles Wort herauszubringen, aber meine Gestik sagte wohl klar genug, daß ich nicht die Absicht hatte, Auguste ihren Gaston wegzunehmen, denn als sie mit dem Arrangement der Käseplatte fertig war und diese ins Wohnzimmer tragen wollte, berührte sie sanft und wieder mit einem Lächeln meinen Arm. Und das Abendessen verlief wieder in herzlicher und gemütlicher Atmosphäre. In nichts, aber auch gar nichts wurde auf Gastons und meine ,liaison` Bezug genommen, von der nun alle wußten. Nur ich hatte mich von dem Angriff in der Küche -- war es überhaupt ein Angriff oder nur eine Warnung? -- noch nicht erholt, aß wenig und wurde gerade von Auguste immer wieder freundlichst dazu aufgefordert, kräftig zuzulangen. Nach dem Essen spielte ich wieder einen ,ordre` von François Couperin, aber schon beim Spielen kam mir der Gedanke, meine aufgewühlten Gefühle mit einem anderen Stück auszudrücken. Ich fragte: "Habt ich nicht vielleicht auch Noten von Bach -- die Englischen Suiten oder das Wohltemperierte Klavier?" "Ja, das müßte hier irgendwo sein", sagte Gaston und begann im Notenregal zu kramen. Bald wandte er sich mit einem Notenstapel auf dem Arm wieder mir zu und sagte: "Hier ist, glaub ich, alles: Suiten, Toccaten, Inventionen -- und hier das Wohltemperierte Klavier." Ich wählte eines meiner Lieblingsstücke, ja: eigentlich mein Lieblingsstück: Präludium und Fuge in fis-moll aus dem zweiten Teil. Das Präludium mit seinen schier unendlich ... langen Melodiezügen spielte ich in verhaltenem Tempo, aber bei der Fuge legte ich ein teuflisches Tempo vor, brauchte es nach der Hälfte des Stückes beim Einsatz des dritten Themas mit seiner Sechzehntelbewegung kaum zurückzunehmen, spielte das Stück auch -- vom Wein enthemmt und angefeuert -- ohne gravierende Fehler zu Ende, sah schon bei einem Blick von den Noten, wie die Durands fasziniert mein Spiel verfolgten und erntete schließlich frenetischen Beifall. Diese Fuge hat aber auch einen ,drive`. "So haben wir dieses Stück noch nie gehört", meinte Gaston. "Habt ihr das Stück überhaupt schon einmal gehört? Diese Präludien und Fugen werden ja selten gespielt, die in den schwierigen Tonarten schon gar nicht." "Ja, du hast recht, eigentlich kennen wir das Wohltemperierte Klavier nur von den Platten von Glen Gould. Er spielt diese Fuge nicht so schnell, wenn ich mich richtig erinnere." Bevor mich Gaston wieder zum Hotel brachte, erntete ich von Auguste noch eine innige Umarmung und ein ",merci pour le concert!`" Wir gingen den mir jetzt schon wohlbekannten Weg zu Fuß, da kein Taxi in der Nähe zu sehen war, und als wir vor dem Hotel standen, verständigten wir uns mit einem minimalen Kopfnicken, daß Gaston noch kurz zu mir raufkäme. Also hinderte Augustes Wiederauftreten in unserem Tagesablauf nicht eine Vertiefung unserer intimen Bekanntschaft. Wir konnten uns nicht an der Rezeption vorbeischleichen, denn ich mußte meinen Schlüssel entgegennehmen. Der Portier reichte ihn mir mit ...