1. Rameaus Geburtshaus


    Datum: 23.05.2017, Kategorien: Erotische Verbindungen,

    Unter Gastons Riesenregenschirm eng aneinander gedrückt, um nicht zu sagen geschmiegt, gingen wir den kurzen Weg zu den ,Beaux Arts` und ließen es auch dort ruhig angehen. Wir hasteten nicht von Saal zu Saal, sondern ließen wenige Bilder auf uns wirken und setzten uns öfter auf die Bänke. Als sich aber Gaston von einer nackten Schönen eines französischen Barockmalers gar nicht trennen wollte, nahm ich zart seine Hand und bat ihn, der Heiligkeit der Hallen angemessen, im Flüsterton: "Ich würde auch gern wenigstens kürz noch zu den Sälen mit den Modernen." "Natürlich, Mélanie, komm, ich zeig's dir!" Obwohl Kunst nicht zu Gastons Fächern gehörte, war er wohl schon einige Male mit Schulklassen in diesem Museum gewesen, und er fand den Weg durch das Labyrinth der Gänge zu den Sälen mit den modernen Malern auf Anhieb. Hier gingen wir etwas schneller durch, Gaston blieb nicht ganz so lange vor einer nackten Schönen von Picasso stehen -- da sah ich im nächsten Saal ein Bild, das mich elektrisierte: ein Bild von Paul Klee, meinem Lieblingsmaler unter den Modernen. Ich mußte mich setzen und dieses Bild betrachten. Ein originaler Paul Klee! Hatte ich so etwas schon einmal gesehen? In der Hamburger Kunsthalle? Vielleicht. Aber in jüngeren Jahren hatte ich Klees Kunst noch nicht für mich entdeckt. Wie immer bei erhabener Musik, bei einem erhabenem Kunstwerk, bei sonst etwas Erhabenem -- der Leser möge die kitschige Ausdrucksweise entschuldigen, und er weiß wohl schon: Mir kamen die ...
    Tränen. Dies bemerkte der liebe Gaston, setzte sich neben mich und umfaßte zart meine Schultern. Ich neigte wohl unbewußt meinen Kopf zu seiner Hand, und er drehte sie herum, so daß eine Schale entstand, in die ich meinen Kopf betten konnte. Im Nachhinein betrachtet war dieser Moment der Durchbruch, Gastons Durchbruch, obwohl dieses von "brechen" abgeleutete Wort gar nicht paßte und dieser Moment nur wenige Sekunden dauerte: Ich richtete mich alsbald wieder auf, denn mit zur Seite gelegtem Kopf ist es ein schlechtes Bilderbetrachten. Wir blieben wohl eine Dreiviertelstunde vor dem Bild von Klee sitzen, betrachteten zwischendurch auch die anderen Bilder im Saal, aber der Klee stach sie alle aus. Als wir uns endlich sattgesehen hatten, war es schon nach vier Uhr nachmittags. Wir verließen die ,Beaux Arts`, um diesen Eindruck nicht durch die Betrachtung weiterer Bilder abzuschwächen, und aus demselben Grunde fanden wir, daß wir nichts weiter besichtigen wollten, zumal es noch etwas regnete. Wir fanden, es sei nun Zeit zum Mittagessen, und weil Gaston keine gesteigerte Lust verspürte, bei sich zu Hause für uns etwas zu bruzzeln, beschlossen wir, im Hotelrestaurant zu essen. Während des Essens rekapitulierten wir, welch schöne Gemälde wir in den ,Beaux Arts` gesehen hatten, vor allem, aber nicht nur, den Paul Klee; auch der barocken nackten Schönen wurde gebührend gedacht (der modernen nackten Schönen von Picasso etwas weniger), und Gaston ließ sich vernehmen: "Du mußt nicht glauben, ...
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