1. Amsterdam, ich komme


    Datum: 14.08.2017, Kategorien: Erotische Verbindungen,

    Coolness, auch Bastian redet immer mit viel Respekt von Michael, der als einziger in meinem Freundeskreis einen so dichten Bartwuchs hat, dass er sich jeden Tag rasieren müsste. In diesem Punkt tut er mir ein bisschen leid, aber ich versuche mir diese Abneigung gegen Körperbehaarung nicht anmerken zu lassen. Nur einmal ist mir ein ‚haariger Affe' herausgerutscht. Daraufhin habe ich mir von ihm anhören müssen, ich könne mich mit einem trockenen Brötchen rasieren. Stört mich nicht. Michael war nie ganz Teil unserer Clique, und es überrascht keinen, dass seine zahlreichen Freundinnen nicht auf unsere Schule gehen. »Aber es gibt doch kaum Sechserzimmer«, sagt Sonja mit großen Augen. Wieder einmal hat sie ihre mittellangen, dunkelbraunen Haare mit einer silbernen Spange gescheitelt. Braves Mädchen. Sie hat die Ironie in Michaels Stimme nicht erkannt, aber das ist nichts Neues. Ich halte sie insgeheim für eine naive, dumme Nuss, die sich in der katholischen Dorfjugend engagiert. Vor einem Jahr wurde der Kontakt zwischen uns enger. Das lag an einem von meinem Biolehrer nur spöttisch Kuppelvirus genannten Phänomen. Es infizierte kurz nach den Sommerferien unseren Jahrgang. Nicole und Bastian kamen zusammen, Nicoles beste Freundin Bettina und der Rüpel des Jahrganges wurden ein Paar. Und in der zweiten Clique meines Jahrgangs, bei den Strebern, fanden sich ebenfalls zweimal zwei Herzen, selbst ich wurde leider von diesem Virus angesteckt. Sonja wiederum fand in Tim, einem Freund von ...
    Bastian und mir, ihre verlorene Hälfte. Ihr Traummann, unser Traumpärchen. Beide katholisch und aus Dabbergost, einem Kaff vor den Toren unserer Kleinstadt. Dabbergost -- wer aus diesem Dorf kommt, kann nur einen Schuss haben. Klingt wie eine Krankheit. Entschuldigung, sagt der Arzt nach der Untersuchung, aber Sie haben Dabbergost. Jeden Morgen kamen sie mit dem Schulbus, jeden Nachmittag fuhren sie wieder zusammen zurück. In der Folge wurden die Partys, die regelmäßig im Haus von Bastians Eltern stattfinden, um einige Personen erweitert. Nicole brachte Bettina mit. Ihr Freund, der Rüpel, entpuppte sich nach dem Fall einiger Masken als handzahm. Er war mit dem langhaarigen Musiker unseres Jahrgangs befreundet. Der Musiker kannte Michael. Michael war schwer in Ordnung. Die Kontakte verschränkten, das Netz verdichtete sich. Der Kuppelvirus grassierte ein Jahr, bis wir nacheinander immun wurden. Die ersten Anzeichen der Resistenz zeigte ich bereits nach einem Monat, anschließend brachen die Beziehungen Schritt für Schritt auseinander. Bettina und Rüpel -- Geschichte. Streberherzen -- gebrochen. Bastian und Nicole sind die letzten Infizierten, denn kurz vor unserem Interrailurlaub trennten sich auch Tim und Sonja. Wochenlang erlebten wir eine griechische Tragödie auf dem Schulhof. Tränen, Flehen, Flüstern, die Kann-ich-dich-mal-sprechen-Frage, die Partys, auf denen Tim stundenlang mit Sonja im Garten stand und sich anhörte, was er nicht wissen wollte. Hoffnung in Sonjas Augen, ...
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