1. Hotel


    Datum: 07.10.2016, Kategorien: Erotische Verbindungen,

    zähle innerlich bis zehn, öffne die Augen wieder. Mein Blick schweift aus dem Fenster, es zeigt eine Seitenstrasse, eng und düster, auf beiden Seiten zugeparkt, kleine schmuddelige Läden mit Eisengittern vor den Türen. In einer Nische steht eine sehr junge Frau in einer Pelzjacke über einem gewagt kurzen Minirock. Sie lehnt mit dem Rücken am bröckeligen Putz, das Becken weit vorgeschoben, die Füsse gekreuzt. Im raschen Aufflackern des Scheinwerferlichtes eines vorbeifahrenden Autos blitzt kurz ihr Gesicht auf. Ich schlucke hart als ich die Nutte in ihr erkenne. „Verdammt!", denke ich und dann kriecht mir ein Kichern im Hals hoch. Ich suche nach einem Fenstergriff, kann aber keinen finden und so flüstere ich nur, anstatt hinausschreien: „Hey, Schwester, wie laufen die Geschäfte?" Das Kichern ebbt ab, erstirbt. Ich nage an meiner Unterlippe, die sofort wieder zu schmerzen beginnt. „Jetzt bist du bis hierher gegangen, nun geh auch weiter, alles kann, nichts muss.", murmele ich vor mich hin und wende mich der richtigen Abzweigung zu. Der Teppich schluckt jeden meiner Schritte, es ist ruhig im Flur, eine Ruhe, die mir meine Nervosität überdeutlich macht. Die Zimmertüre schwingt genauso lautlos auf wie am Nachmittag, die Räume dahinter liegen in absoluter Dunkelheit. Ich schließe sachte die Türe hinter mir und suche vergeblich nach einem Lichtschalter. Wieder steigt mir ein Kichern in den Hals, ich unterdrücke es mühsam, presse die Hände fest zusammen um die Zittrigkeit zu ...
    besänftigen. „Baby, du solltest dich beruhigen, sonst hält er dich für eine hysterische dumme Gans – falls er überhaupt kommt, ja, falls er überhaupt kommt!", flüstere ich mir zu und taste noch immer nach einem Lichtschalter. Gerade als ich überlege, die Türe wieder aufzureißen um mir meine Schaltersuche mit etwas Licht aus dem Hotelflur zu erleichtern, klopft es. Das leise Pochen fährt mir wie eine Urgewalt in den Bauch. Ich keuche, mein Herz springt mir in den Hals. Ich sehe das Grinsen vor mir, diese unglaublichen Augen, die vorwitzige Haarsträhne, mein Magen beginnt irrsinnig zu kribbeln, die feinen Härchen in meinem Nacken und auf meinen Armen stellen sich auf. Ich taste suchend in der Schwärze der Lichtlosigkeit, finde die Klinke, drücke sie herunter und öffne zögernd die Tür. Im Gegenlicht der Flurbeleuchtung kann ich sein Gesicht nur erahnen, ein leises Schimmern, von seinen Augen reflektiertes Licht. Ich trete an die Seite um ihn hereinzulassen, senke den Kopf, beobachte seine Bewegungen aus den Augenwinkeln. Er schließt die Tür und schlagartig ist es stockfinster. Ich stehe regungslos da, lausche seinem Atem, der genauso unüberhörbar ist wie mein eigener. Jetzt wäre der richtige Zeitpunkt, etwas zu sagen, ein „Hey" oder ein „Hallo" oder irgendetwas von dem, was man üblicherweise in so einer Situation sagt, aber ich kann nicht sprechen, kann nur dastehen, dicht an der Wand des engen Zimmerflures. Ganz zaghaft strecke ich meine Hand vor mir aus, meine gespreizten Finger ...
«1...345...21»