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Hotel
Datum: 07.10.2016, Kategorien: Erotische Verbindungen,
Fenster, lasse den Straßenlärm und den Abgasgestank hinein. Auf dem Bahnhofsvorplatz herrscht unübersichtliches Durcheinander, ich kann dem irren Treiben nicht lange zuschauen, bin noch nicht soweit, zurück in die alles mitreißenden Turbulenzen der Welt dort draußen zu fallen. Ich beuge mich vor, beobachte das Ankommen und Fortfahren der unzähligen Taxis und kann nur Erahnen, welches er genommen hat, denn über dem Hoteleingang spannt sich heute morgen eine orangeblaue Markise und lässt nicht zu, dass ich ihm nachschaue. Bevor ich die Zimmertür hinter mir zuziehe, betrachte ich lange das zerwühlte Bett, der Anblick der zerknüllten Laken und Bettdecken brennt sich auf ewig in meinem Kopf ein, ein immer wieder abrufbares Bild. Ich gebe den Schlüssel an der Rezeption ab, verlange die Rechnung und erfahre, dass ich mich darum nicht mehr kümmern muss. Ich nicke nur stumm und frage nicht nach meinem Wert – dem Preis für eine ganze Nacht, der mir erlauben würde, meinen Stundensatz zu errechnen. In meiner Kehle steigt ein leicht bitterer Nachgeschmack auf, ich wehre mich dagegen, will eine andere, eine schönere Erinnerung mitnehmen und erreiche nur, dass mir Tränen in die Augen steigen. Rasch verlasse ich das Hotel, überquere die Straße quer durch den rasenden Verkehr, anstatt die Unterführung zu benutzen und stehe schließlich erst auf dem Bahnsteig und dann an einem Fenster in meinem Zug, der mich zurückbringen soll, woher ich kam und wohin ich gehöre. Mein Telefon klingelt, ich lausche seiner Stimme, finde mein Lächeln wieder, die Tränen in meinen Augen lösen sich und nehmen den Weg zu meinem Kinn hinab und schwemmen die ungewollte, aufdringliche Bitterkeit fort. Ich habe bekommen, was ich wollte, das und noch ein bisschen mehr.