1. Hotel


    Datum: 07.10.2016, Kategorien: Erotische Verbindungen,

    Ich komme Stunden vor ihm an, viel zu früh und das nicht nur wegen der ungünstigen Zugverbindung, sondern vor allem wegen meiner Nervosität und dem Verlangen, den Rhythmus der Stadt zu erfühlen, die Umgebung zu inspizieren und mich mit dem Zimmer vertraut zu machen. Ich bringe meine kleine Tasche hinauf in das vorab gebuchte Zimmer. Dritter Stock, rote Auslegware im Flur, mannshohe Blumenvasen mit Trockengestecken. Ich verlaufe mich erst, biege falsch ab, finde mich vor viel zu hohen Zimmernummern wieder, gehe zurück, biege diesmal richtig ab und bleibe mit heftig klopfendem Herzen vor der Nummer 312 stehen. Meine Hand zittert, als ich die Magnetkarte in den Kartenleser einführe, keine Türklinke, nur ein Knauf. Die Tür schwingt lautlos auf, ein kleiner Flur mit einer Garderobe und einer in das Badezimmer abzweigenden halb offen stehenden Zimmertüre. Der schmale Flur öffnet sich zu einem großen, lichtdurchfluteten Raum. Ein breites Bett, blütenweiße, frischgestärkte Leinenbettwäsche, auf den Kopfkissen jeweils ein kleineres Kissen, an den Fußenden hellbeige Wolldecken. An der gegenüberliegenden Wand strömt durch zwei wunderbar große gekippte Fenster kühle Luft herein, die bodenlangen Vorhänge, zart und weiß, bewegen sich sachte mit jedem Luftzug. Ich stelle meine Tasche ab, erst auf dem Bett, zögere einen Moment, schiebe sie unter den Tisch in der Ecke, auf dem ein Fernseher und ein Telefon stehen. In die Glätte der Bettdecke hat sich, verursacht durch das Gewicht meiner ...
    Tasche, eine kleine Irritation gedrückt. Ich starre die welligen Linien an und versuche mir diese beinahe makellose Glätte in heikler Unordnung vorzustellen, zerwühlt von zwei nackten Körpern, durchfeuchtet von salzigem Schweiß und Körperflüssigkeiten, zerknittert, verschlungen, verknäult. Die Intensität dieser Bilder erschreckt mich, meine Knie werden weich, ich lasse mich auf das Bett fallen, erschrecke noch mehr, will wieder aufspringen, lache dann nervös. Nichts muss, alles kann, es steht nicht fest, nichts steht fest. Ein Kann, kein Muss. Ein Vielleicht. Mit angehaltenem Atem strecke ich mich auf der Matratze aus, sie gibt kaum nach, federt ein wenig nach, „gute Qualität", fährt es mir durch den Kopf und ich lache erneut auf. Das Bad ist winzig, aber sauber. Eine Wanne mit einem Duschvorhang, eine Toilette, ein kleines Waschbecken, zwei große und zwei kleine Handtücher. Ich rieche an der Seife, Lavendelduft, „Omaseife", denke ich, meine Oma hat immer nach Lavendel gerochen. Ich werfe die Seife in den Deckelmülleimer, meine Oma ist hier nicht willkommen, sie ist hier ganz und gar nicht willkommen. Der Blick aus dem Fenster fasziniert mich. Das Hotel liegt direkt gegenüber des Hauptbahnhofs, eine belebte sechsspurige Straße, an der Hausecke eine Unterführung, durch die man zum Bahnhof gelangt, ohne sein Leben zu riskieren. Immer wieder halten Taxis vor dem Haupteingang des Hotels, Abgasgestank hängt in der Luft, der Motorenlärm ist durchdringend, das Kommen und Gehen auf dem ...
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