1. Urlaub mit Mama


    Datum: 17.11.2016, Kategorien: Erotische Verbindungen,

    Studien gleich in medias res zu gehen und uns nicht mehr in Laut- und Formenlehre zu vergraben, sondern gleich mit der Lektüre von Texten zu beginnen. Nun gibt es im älteren Friesisch keine Belletristik oder Lyrik, aber es gibt die mittelalterlichen Aufzeichnungen der Stadtrechte der friesischen Städte, und so entzifferte ich mit Ingwers Hilfe das berühmte Stadtrecht von Gevere (gesprochen natürlich Jévere, heute Jever). Als wir genügend Paragraphen durchgeackert hatten und es für mich Zeit zum Nachhausegehen war, fing Ingwer noch einmal an: "Warum hast du dich denn müssen scheiden lassen -- oder willst du nicht darüber sprechen?" "Schön, diese altväterliche Konstruktion -- man sollte öfter so reden oder jedenfalls schreiben -- nein, du kannst mich gern danach fragen. Wir haben uns einfach auseinandergelebt, und als Dieter beruflich nach Leipzig versetzt wurde, wollte ich nicht mitgehen, auch um meine Stelle nicht zu verlieren, und da haben wir uns getrennt, wie man so sagt, in aller Freundschaft." "Hat er dich betrogen?" "Das auch." "Du ärmste!" "Halb so wild: Ich hab ihn auch betrogen." "Du hast --" "Ja, ich hab --. Als ich gemerkt hab, daß Dieter eine Freundin hat, hab ich mir meinen ersten Liebhaber verführt." "Deinen ersten --" "Ja; in den letzten sechs--sieben Jahren meiner Ehe hab ich eigentlich immer auch einen Freund gehabt." "-- immer auch einen Freund -- das heißt --" "Das heißt, daß ich kein Kind der Traurigkeit bin und manchen Jung' in mein Liebesgärtchen ...
    eingelassen hab -- manche haben das nicht verdient, aber manche durchaus, und wir hatten wunderschöne Stunden -- mit Dieter übrigens bis zum Schluß auch immer mal wieder -- so ist das nicht --" "-- und jetzt?" "Absolut nichts." "Seit der Scheidung?" "Nicht ganz. Als ich mich in meiner neuen kleinen Wohnung eingerichtet hatte, hab ich mir ein Cembalo gekauft --" "Oh, das find ich super!" "Das freut mich. Wenn du willst, kannst du mich ja mal in Hamburg besuchen und es hören oder auch spielen. Kannst du spielen?" "Ja. Ich hab auch ein Klavier." "Und warum hast du mir das nicht gezeigt?" Ingwer wurde rot und sagte leise: "Weil das im Schlafzimmer steht, und das steht da, weil hier im Wohnzimmer zuviele Bücher sind. Es hat ja nirgends mehr Platz an der Wand." "Na los, dann zeig mir mal dein Klavier!" "Aber --" "Aber das Schlafzimmer ist nicht aufgeräumt. So was hab ich schon gesehen, aber wenn es dir lieber ist, dann räum schnell etwas auf." "Nicht nötig -- es ist ja eigentlich aufgeräumt." "Na, dann, worauf wartest du dann noch?" Im Schlafzimmer herrschte tatsächlich eine perfekte Ordnung. Es war von einem Doppelbett, einem großen Kleiderschrank und Tisch und Stuhl "bevölkert", Blickfang aber war ein altmodisches Pianino, wie Ingwer sagte, von seinem Großvater geerbt, das Hochzeitsgeschenk seines Großvaters an seine Großmutter. Es war aufgeschlagen, und auf dem Pult stand eine Ausgabe von Schuberts Impromptus. "Spielst du gerade Schubert?, fragte ich. "Ja, ich lieb ihn heiß." "Ich ...
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