1. Das Fenster


    Datum: 11.06.2018, Kategorien: Verführung,

    Schriftsteller", fragte sie. "Nein, ich führe Tagebuch, aber anders, als es gemeinhin üblich ist. In anderer Form". Sie nahm einen Schluck Kaffee. "Andere Form", fragte sie. "Ich denke Geschichten aus, in denen ich mich spiegele. Allerdings weiß nur ich, wo ich mich darin sehe". "Sie spielen verstecken mit sich selbst". Ich lachte. "Wenn man so will", meinte ich. "Es ist bei jedem Autor so, in jeder Geschichte steckt ein Teil seiner selbst. Und, wie ist es bei ihnen, führen sie Tagebuch?". "Nein, nicht mehr, keine Zeit". "Das Leben ist zu kurz, um keine Zeit zu haben", antwortete ich. Sie schaute mich nachdenklich an. "Vielleicht werde ich ja in einer ihrer Geschichten auftauchen", erwiderte sie schließlich. Ich nahm mir ein paar Millisekunden Zeit, dachte an den Weg, den ich heute morgen gelaufen war, an meine tantrischen Gedanken während des Laufens, an den Radwechsel. "Ich weiß nicht, ob es eine Bedeutung hat", antwortete ich ehrlich. "Muss alles im Leben eine Bedeutung haben?". "Alles im Leben bedeutet mir etwas", antwortete ich. "Dann sind ihre Geschichten wohl lang", lächelte sie. "Eher nicht, aber sehr dicht". Sie runzelte die Stirn. "Dann wird unsere Begegnung möglicherweise nur einen Satz lang sein", konstatierte sie. Ihr Blick forderte mich heraus. "Ich habe schon längere Geschichten über einen Augenblick geschrieben", antwortete ich. Sie nippte an ihrem Kaffee. "Was haben sie vorhin auf den Zettel geschrieben", fragte sie neugierig. Ihre direkte Art gefiel mir, ...
    obwohl sie persönlich wurde. Ich schob ihr das Stück Papier herüber. Sie las. ´Wann die Luft raus ist, sagen dir die Umstände´. ´Es ist Zeit für einen Radwechsel´. ´Maus´, ´Käfig´. ´Verschlusssache?´. "Daraus lassen sich ein paar Sätze ´malen´", meinte sie nachdenklich. Ihre Stimme klang nicht herablassend und ihr Gesichtsausdruck verriet mir, dass meine Notizen etwas in ihr berührt hatten, nicht nur ihren Verstand. Sie fühlte nach. "Wenn ich wollte, würde es ein Roman, habe da so meine ´Lebenserfahrung´", konstatierte ich und verwies geschickt auf unseren Altersunterschied Sie schaute mich an. "Ja, verstehe, aber wichtiger sind die Umstände...,bin ich die ´Maus´", fügte sie lächelnd hinzu. "Wir alle sind ´Mäuse´, antwortete ich lachend. Sie ist gescheit, dachte ich. "Mäuse sehen nur ´Schwarz-Weiß´, das wissen sie wohl", erklärte sie herausfordernd. "Daher versuche ich Farben hinein zu dichten, so gut es geht". "Welche Farben fallen ihnen bei mir ein". Sie schaute mich dabei eindringlich an. "Das fruchtig süße Apfelsinenrot der aufgehenden Sonne heute morgen, als ich das Rad wechselte". Sie schaute auf die Apfelsinenschalen auf meinem Teller und schmunzelte. "Ja, ich stand mit dem Rücken zur Sonne und habe sie ebenfalls beobachtete, als sie auf mich zu liefen", gab sie zu verstehen. Ich musterte ihre Augen. "Ihre engen Kurztights schimmerten blau, wie das durchdringende Blau an einem Wimpelfisch", meinte sie schließlich. Ich lächelte. "Einen solchen Satz würde ich in einer ...
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