1. Das Fenster


    Datum: 11.06.2018, Kategorien: Verführung,

    Das Fenster Ich drückte die Blendladen auf und ließ das frühe Licht herein, kniff meine Augen zu kleinen Schlitzen und schaute auf das Haus mit den beiden toten Fenstern. Die Wohnung stand schon seit langem leer, obwohl sie doch einen schöneren Ausblick auf die nahe, kleine Hafenmole zuließ. Ich habe schon oft mit dem Gedanken gespielt die Wohnung zu wechseln, dort drüben einzuziehen, wegen der besonderen Aussicht. Das terrakottafarbene Dach schimmerte herüber und tauchte die im Schatten liegende Fensterseite meiner kleinen Wohnung in ein warmes Licht, das sich durch die geöffneten Blendladen schlich und zärtlich an die gekalkten Schlafzimmerwände rekelte. Begleitet von einem leisen Rauschen der Palmen durch den heran wehenden Passat, holte ich tief Luft. Ich stützte mich eine Weile auf den Fensterrahmen, der schon bessere Zeiten gesehen hatte. Die weiße Farbe blätterte in großen Schuppen vom Untergrund und verabschiedete sich vom Jugendstil, in dem das Haus erbaut war. Es ging ihm so wie mir. Die Zeit war mit mir älter geworden. Aber nicht die Jugend in meinem Kopf. Nur reifer. Trieb es mich hinaus zu den Menschen, zog ich mir eine schwarze Hose an, ein dünnes, weißes Hemd, schlüpfte in meine ausgetretenen Latschen, ging hinunter ins kleine Kaffee, setzte mich zu einem Espresso an den Tisch der alten Spieler, die ihre abgewetzten Karten mischten und mit drohenden, schmetternden Armbewegungen die Karten in die Mitte des Tisches klatschen ließen, als jagten sie Fliegen. ...
    Jeder tat es in seiner unverwechselbar eigenen, theatralischen Manier. Egal wie hoch der Trumpf in seiner Hand war. Es war nur ein Spiel. Sie schlugen die Zeit tot. Wie ich. Ich schaute mir die Menschen an, die an mir vorbei flanierten, auf der Mole die Netze flickten, den letzten Fang unter die Leute brachten, Fisch ausnahmen und ihn in großen Holzkisten auf Trockeneis gebettet, auf kleine Lastwagen stapelten. Fisch war hier allgegenwärtig. Wie das dunkelblaue Meer und die schaukelnden Fischerboote. Meine kleine Reiseschreibmaschine ließ ich dann alleine zurück. Ich musste sie manchmal an meine Abwesenheit gewöhnen. Sie stand auf dem kleinen Tisch vor dem Fenster und klapperte gelangweilt mit den Tasten, bis ich zurück war. Den Eindruck hatte ich immer. Ich wusste, dass es der Wind war, der an den Blendladen rüttelte. Sie hatte sich mit ihm verbündet. So war es auch eine staubige Windböe, die mich an sie erinnerte, mich meinen Kaffee bezahlen ließ und wieder nach oben trieb. Zu ihr. Ich hatte genug vom Leben mitbekommen, in den letzten Minuten meines Espressos.Es genügte für ein paar Seiten. Der Rest, der die Stunden bis zum Nachmittag andauerte, war reine Illusion. Noch. Wenn ich schreibend zu berichten begann, veränderte sich das kleine Zimmer. Der Tisch wurde zu einer kleinen Jolle, das noch leere, eingespannte Blatt Papier zum großen, dunkelblauen Ozean und zum Ruder wurde meine kleine, wartende Reiseschreibmaschine, sobald ich die Finger auf ihre Tasten legte. Die Wände ...
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