1. Göttinnenspiel


    Datum: 03.06.2018, Kategorien: BDSM,

    Winston schluckt. Weiter hinten hebt sich eine Hand schüchtern. Waldorf, ausgerechnet der romantische, liebliche Waldorf mit seiner Piepsstimme, wirft ein, japsend: "Aber wir haben... im letzten Halbjahr... die Bearbeitungsrate ohnehin... 20%..." Frau Doktor Schreier macht nicht einmal eine Pause in ihrem Redefluss. Waldorf betrachtet den Marmor. Rigide Kontrolle der Arbeitszeit. Reduktion der Mittagspause auf 15 Minuten. Kaffeepause höchstens einmal pro Tag, zehn Minuten. "So werden wir unser Team wieder auf Kurs bringen. Alle einverstanden? Gut. Dann, meine Herren, an die Arbeit!" Frau Doktor Schreier erhebt sich und wallt aus dem Raum. An der Tür dreht sie sich um: "Oh, und eines noch - natürlich herrscht ab jetzt striktes Rauchverbot." Die Tür schwingt hinter ihr nach. Die Männer machen verdutzte Gesichter. +++ Wie anders schleichen sie fort, als sie hinstolzten! Die Aufzugsmusik beruhigt sie ein wenig. Trotzdem ist Winston an seiner Ehre gekränkt und in seinem Dienstältestenstolz schwer verwundet. Den Nachmittag beißen sie Zähne, murren einander an, und als Winston Punkt fünf seinen Bleistift an seinen Platz legt, geht er ohne ein Abschiedswort. +++ Nahtlos reiht Winston sich in die Menge ein. Der Pranger am Platz ist jetzt leer: Winston wünscht dem Männchen, das dort stand, dass es von seiner Zugehörigkeitsgöttin wieder genommen wurde. Wenn nicht... Winston weiß nicht, was geschieht, wenn Männchen das Unnennbare Halsband bekommen. Das sind die Dinge, die man besser ...
    nicht denkt. Und wie das gestunken hat! Und wie diese Haare sich kräuselten! Zu denken, dass das vor Generationen normal war: Wie müssen die Menschen gestunken haben! Was für ein Ekel muss diese Brutalzeit durchzogen haben. Männchen ohne Ganzkörperwachsung. Behaarte Achseln, behaarte Beine, behaart auch da unten dazwischen... Winston, sagt seine Mutter immer, du grübelst zu viel. Früher hat Winston die Ganzkörperwachsung immer am Montag durchgeführt, aber seit Bernadette ihn am Mittwoch sehen will, hält er das Ritual lieber dienstags ab. Die Ampel ist rot. Von der Figur in dem Lichtkreis geht eine beruhigende Wirkung aus. Auf der anderen Straßenseite sieht Winston ein Plakat: ein Halbnackter ist da, mit wunderschön glatter, gerundeter Muskelbrust, und hinter ihm eine riesige Schlange, die das Männchen am Kopf packen wird. Die Schlange bewirkt in Winston sofort einen Reflex aus Ekel und Angst: soweit er es weiß, hat er immer schon Schlangen gefürchtet, wie Spinnen und Hunde. Als wären Bilder von gefährlichen Tieren aus frühester Zeit in ihn eingegraben. Das Männchen auf dem Plakat, hoffnungsvoll hält es den Blick auf die große Parfumflasche in seiner Hand: "Safety" sagt die Marke. Winston spürt einen Impuls, sie zu kaufen. Leider hat er im Augenblick nicht das Geld. Hyazinthe, denkt Winston, hoffentlich ist Hyazinthe drin. Sofort denkt er an Bernadettes Körperduft, der ihn letzten Mittwoch wie vor einer unermesslichen Zeit so heftig und stark umfing; er denkt an den Hauch ihrer ...
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