1. Ich nannte ihn meinen Herrn


    Datum: 29.10.2016, Kategorien: BDSM,

    einsam und doch fühlte ich mich so. Ich war nie wirklich im Stillstand und doch fühlte ich mich getrieben. Ich war auch nie ängstlich und doch wusste ich, dass die Angst in mir wohnt. Eine Angst, die mich lähmte und gleichzeitig doch meine größte Triebkraft war. Die Angst mich zu verlieren, aus den Augen zu verlieren, wer unter all diesen Funktionalitäten, Lebenslügen und Selbsterhaltungstrieben tatsächlich wohnt. Da wohne ich. Und ich bin eine submissive, aus tiefster Seele devote Frau mit einer starken, undefinierbaren Sehnsucht, die mich nicht zur Ruhe kommen ließ. Lange Zeit konnte ich dem keinen Namen geben. Ich wusste nur immer, irgendetwas ist anders an mir. Meine Art zu lieben schien eine andere Art zu sein, als jene die ich bei anderen Frauen beobachtete. Ich war irgendwie so ...grenzenlos. Ich hatte mehr Männer in meinem Leben als andere Frauen Schuhe besaßen. Mit 37 Jahren hatte ich mehr Erfahrungen, als in ein Leben passen sollte. Sicher ein Zeichen der Getriebenheit, der haltlosen Suche ohne zu wissen wonach. Und doch blieb ich unschuldig im Sinne der Unberührtheit dabei. Meine Seele hat niemand wirklich erreicht. Selbst die nicht, denen ich sie vor die Füße legte. Ich hatte es satt umher zu irren und den Phantasien davon zu laufen, die mir so bizarr erschienen, das ich sie nur selten in einsamen, von heftigen Orgasmen geschüttelten Momenten an meine Oberfläche ließ, um sie gleich darauf wieder gut gesichert einzuschließen. Ich dachte nicht an Emanzipation, ...
    nicht an die Moral und an die Furcht davor pervers zu sein -- Nein, was mich zögern ließ, war meine Ahnung, welch explosive Kraft für mich hinter all dem stecken könnte, wenn ich es wagen würde, den Deckel anzuheben. Ich tat den ersten Schritt. Ich schaltete eine Anzeige. Er tat den Zweiten. Er antwortete. Sehr banal, nahezu einfallslos und gewöhnlich. Kein ausgemachter Zufall stattdessen formulierte Absichtserklärung. Aber die zumindest schienen sich ähnlich zu sein. Und dann saß ich da, in diesem Herbst, mit diesem Halsband. Da saß ich nun mit meinem Wissen, mit meinen Erfahrungen und mit meinem Schmerz. Einen Schmerz, dessen Intensität ich immer erahnt habe. Mit Spuren an meiner Seele, die sich tiefer eingebrannt haben als jeder körperlicher Schmerz es vermocht hätte. Ich wollte fliehen und konnte es doch nicht. Dieses Tier in mir ließ sich nicht mehr einsperren, nicht mehr an die Leine legen. Es war nun frei, es kannte einen Ort, wo es leben konnte. Von diesem Platz wurde es verbannt. Es wurde verbannt von dem, den ich meinen Herrn nannte. Das hier zu schreiben, schien die einzige Möglichkeit zu sein, nicht verrückt zu werden, den freien Fall aufzuhalten. Ich klammerte mich an die Tastatur als wären es Stricke, die mich zu halten vermochten. Einmal noch, nur einmal noch -- und gleichzeitig war jedes Wort der verzweifelte Versuch, der Wahrheit nicht ins Gesicht sehen zu müssen. Im Dreck zu kriechen scheint weniger schlimm als Dreck zu sein. Die Grenzen sind fließend. Denn du ...
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