1. Mitternacht


    Datum: 31.01.2018, Kategorien: BDSM,

    „H-Hallo?“, frage ich unsicher in das Telefon. Es bleibt ruhig auf der anderen Seite, kein Ton dringt zu mir. „Hallo? Ist da jemand?“, frage ich erneut. Keine Antwort. Dann erklingt ein kurzes Rascheln, bevor am anderen Ende der Leitung aufgelegt wird. Was war denn das? Vielleicht einfach jemand, der sich verwählt hat. In dem Moment klingelt es an der Tür. Wieder beginnt mein Herz, schneller zu schlagen. Was ist nur los mit mir, ich bin doch sonst nicht so nervös. Aber andererseits erwarte ich auch keinen Besuch. Ich gehe leise zur Tür und schaue vorsichtig durch den Spion. Erleichterung durchfährt mich, es ist nur meine Nachbarin. Und doch spüre ich so etwas wie Enttäuschung, als hätte ich gehofft, dass jemand anderes dort draußen stehen würde. „Das hier wurde bei mir für Sie abgegeben.“, sagt meine Nachbarin und überreicht mir ein kleines Paket. Es ist länglich, schmal und recht flach. In den schwarze Karton sind kunstvoll verschlungene Ornamenten geprägt, auf dem Deckel prangt eine schlichte, weiße Schleife. „Danke.“, sage ich verwirrt, doch die Frau ist schon wieder verschwunden. Ich stehe alleine vor der Tür, als wäre nie jemand hier gewesen. Langsam schließe ich die Tür und gehe zurück in die Küche. * Dort liegt er nun also, der Karton, mitten auf meinem Küchentisch. Harmlos, und doch zieht er meine Blicke unweigerlich an. Mit zittrigen Händen gieße ich mir ein Glas Wein ein und leere mit zwei großen Schlucken das halbe Glas. Es ist nur ein Päckchen, warum zum Teufel ...
    sollte ich davor Angst haben? Und doch schleiche ich um den Tisch herum und betrachte die Ornamente und die elegante weiße Schleife von allen Seiten, ohne sie zu berühren. Unschuldig wirkt sie, stolz und doch verloren auf dem tiefschwarzen Untergrund. Wie ein helles und strahlendes Licht. Doch das undurchdringliche Schwarz umfängt sie. Schwarz wie die Nacht. Mitternacht. Ein Blick auf die Uhr - 22:12. Nicht einmal mehr zwei Stunden, bis das Heute und das Morgen einen kurzen Moment lang eins sind. Wie lange habe ich hier gestanden und dieses kleine Paket angestarrt? Tief atme ich durch und greife endlich nach dem Deckel. Hebe ihn an, bevor ich noch weiter nachdenken kann, was mich erwarten könnte. Weißes, halbtransparentes dünnes Papier verbirgt das, was so kostbar verpackt ist. Noch einmal hole ich tief Luft, dann schlage ich das Papier zur Seite. In dem Karton liegt eine einzige Rose. Vorsichtig hebe ich sie heraus und betrachte sie. Sie ist - einfach perfekt. Die Blüte ist halb geöffnet und hat eine tiefrote Farbe. Leidenschaft, Liebe, Begehren. Ohnmächtige Sehnsucht nach etwas Unbekanntem. Hingabe, Verlangen, Hitze. Gefahr…unendlich viele Assoziationen schießen mir in diesem einen, kurzen Moment durch den Kopf. Mit dem Finger fahre ich am Rand eines Blütenblattes entlang. Perfekt geschwungen, zart und wunderschön. Wie jedes andere Blütenblatt auch. Weiter, am Blütenkelch entlang und schließlich den Stiel herunter. Ein helles Grün, zart wie die Hoffnung, die Freude, das ...
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