1. Mitternacht


    Datum: 31.01.2018, Kategorien: BDSM,

    Gelangweilt schweift mein Blick umher. Laute Musik umgibt mich, während ich zusehe, wie sich viel zu viele Leute an viel zu kleine Tische quetschen. Das Bild von Sardinen in einer Dose drängt sich mir auf. Dazu diese merkwürdige Atmosphäre, die durch den schlechten Geschmack des Innenarchitekten entsteht und sich gar nicht richtig benennen lässt. Ich meine, wer streicht schon Wände in diesem Grün, das einen an Krankenhauskleidung erinnert? Bunt zusammengewürfelte Sitzgruppen, die nicht zueinander passen. Abstrakte Bilder, die aussehen, als hätte ein Kind seinen Teddy erst in einen Farbeimer und dann auf die Leinwand fallen lassen. Klinisch steril und kitschig zugleich. Albernes Gekicher neben mir lässt mich hochschrecken. Warum nur habe ich mich überreden lassen, heute Abend mit in diese Bar zu kommen? Sehnsüchtig denke ich an mein Buch, das zu Hause in meinem Sessel auf mich wartet. Was wird der Entführer wohl mit der jungen Frau machen? Aber anstatt das herauszufinden, sitze ich nun mit ein paar Freundinnen hier und lasse den Abend über mich ergehen. Höre mit halbem Ohr zu, wie die Mädels über die Vor- und Nachteile von Nagellackentferner mit Fruchtgeruch diskutieren. Sehe, wie sich die besoffenen Typen am Tresen an die inzwischen schon merklich genervte Bedienung heranmachen. Atme schlechte Luft, blau vom Rauch. Und versinke wieder in meinen Gedanken. Stelle mir vor, wie… Ein Kribbeln in meinem Nacken bringt mich dazu, den Kopf zu heben. Ich sehe auf und sehe in Augen, ...
    die sich in die meinen zu bohren scheinen. Ein Blick, der mich fesselt: aufmerksam, berechnend, intelligent, überlegend. Durchdringend. Ich kann nicht anders, als meinen Blick zu senken. Betrachte meinen Drink, von dem nur noch ein paar Eiswürfel übrig geblieben sind. Ohne es zu bemerken, greife ich wieder einmal zum Strohhalm und stochere zwischen den Eiswürfeln und Limettenresten herum. Als ich wieder aufschaue, hat er sich längst abgewandt. Ich betrachte diesen Unbekannten genauer. Er sitzt ein paar Tische entfernt und scheint in ein Gespräch mit seinen Begleitern vertieft zu sein. Mittelgroß, kurze, dunkle Haare, dezente Kleidung. Nein, vom reinen Aussehen her ist er kein Mann, der einem sofort auffallen würde. Und dennoch strahlt er irgendetwas Einnehmendes aus. Vielleicht ist es seine aufrechte Haltung, die fast schon ein wenig arrogant wirkt. Sein leichtes Lächeln, wissend und überheblich. Seine Hand, mit der er lässig durch sein Haar fährt. Zu lässig. Er scheint auf seine Begleiter einzureden, die allesamt zustimmend mit dem Kopf nicken. Plötzlich wird mir dieser Abend eindeutig zu doof. Ich sitze hier, tue so, als würde mich das Gespräch meiner Freundinnen interessieren, das sich inzwischen um das Liebesleben irgendeines Promis dreht, während ich allen Ernstes einen Typen analysieren will, der mir einen kurzen Blick zugeworfen hat. Kurzentschlossen wende ich mich meinen Freundinnen zu, murmle etwas von Kopfschmerzen und davon, dass ich morgen früh aufstehen müsste. ...
«1234...9»