1. Mitternacht


    Datum: 31.01.2018, Kategorien: BDSM,

    das in der Dunkelheit unmöglich sehen, aber mir ist nun definitiv nicht mehr kalt. Mein Gegenüber grinst unverschämt und murmelt etwas von „So etwas liest Du also…“. Na, das wird ja immer besser. Peinlich…schließlich kenne ich ihn überhaupt nicht. Was er jetzt wohl von mir denkt? Schluss jetzt! Innerlich gebe ich mir einen Ruck und nehme auch äußerlich eine sehr aufrechte Haltung ein. Seit wann interessiert es mich schon, was fremde Leute von mir denken? Außerdem werde ich, sobald ich zu Hause angekommen bin, sowieso nie wieder etwas von ihm hören. Und diese paar Minuten werde ich schon überstehen. „Interessieren Dich solche Dinge?“ Kurz bin ich irritiert, dann fällt mir wieder ein, wovon er redet. Vom Buch, natürlich. Aber die Frage klang ernst und nüchtern, als würde es ihn wirklich interessieren. Misstrauisch werfe ich ihm einen Blick zu. Wieder diese Augen, die tief in meine Seele zu schauen scheinen. Ich kann nicht viel erkennen, aber sie scheinen dunkler geworden zu sein. Sein Gesichtsausdruck ist ernst, sein Kopf leicht geneigt. So wirkt sein Blick fast schon lauernd. „Ich verstehe nicht genau, was Du meinst.“, versuche ich, Zeit zu gewinnen. „Machtlos zu sein.“, präzisiert er. Immer noch dieser lauernde Ausdruck. Was soll ich darauf antworten? Manchmal, wenn ich meine Gedanken einfach schweifen lasse, stelle ich mir tatsächlich vor, wie es wäre, genau dies zu sein: machtlos. Eine Frau vor einem Mann, seinem Willen ausgeliefert und doch mit Freuden ergeben. Doch ...
    dann holt mich die Realität schnell wieder ein. Ich stehe mitten im Leben, habe einen verantwortungsvollen Job. Ich bin es gewohnt, Entscheidungen zu treffen und meine eigenen Wege zu gehen. Da ist kein Platz für Unterwürfigkeit. Außerdem gehört es sich einfach nicht. Doch dann bekomme ich ausgerechnet dieses vermaledeite Buch geschenkt. Dieses Buch, das mich fesselt und das meine Gedanken anregt, bis ich beschämt feststellen muss, dass ich vom Lesen feucht geworden bin. „Manchmal“, sage ich leise. „Aber es sind nur Gedanken.“, beeile ich mich, hinzuzufügen. Warum erzähle ich ihm das? „Am Anfang und am Ende von Allem ist immer der Gedanke.“, sinniert mein immer noch unbekannter Begleiter. „Manchmal ist er sogar beides. Ein einziges gedachtes Wort kann zugleich das Ende von etwas und einen neuen, unvorstellbaren Anfang bedeuten. Ist dieser Gedanke also ein Anfang?“ „Ich weiß es nicht.“, murmle ich. Ich bin verwirrt und befinde mich in einer merkwürdigen Stimmung. Alles hat so normal angefangen, ein völlig harmloser Abend mit meinen Freundinnen. Nun kommt es mir vor, als sei das vor einer Ewigkeit gewesen. Ich laufe mit einem Fremden durch einen dunklen Park, außer uns ist kein Mensch mehr unterwegs. Ein wenig Helligkeit spendet nur der Schnee, der hoch an den Seiten des Weges liegt. Die Bäume sind weiß und ragen hoch über uns auf. Selbst der Wind hat nachgelassen. Es ist still, absolut ruhig, als wäre die gesamte Welt in einen Winterschlaf versunken. Nur ich bin noch da und der ...
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