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Unvorbereitet
Datum: 15.08.2017, Kategorien: Erotische Verbindungen,
Weißt du gar nicht, dass ich schon seit zwei Jahren hier lebe? Ich dachte, Aggi, Flo oder die anderen hätten dir mal davon erzählt. Auf die Party hat mich Frederike, Karens kleine Schwester mitgeschleppt. Die hat grad hier angefangen und Karen meinte, ich soll ein Auge auf sie werfen. Ausserdem gehen ich sonst so selten weg." „Cut, cut, stop, Paaauuussee!" schoss es ihm durch den Kopf. Er musste das ganze irgendwie anhalten und erst einmal wieder klarkommen. Er zog sein Handy aus der Hosentasche, brabbelte etwas von Kumpel-vorne-abholen und ging so langsam wie er es eben konnte von Ines weg in Richtung Ausgang. Es war verrückt. In den letzten zweieinhalb Jahren hatte er Ines nicht gesehen, was einerseits an dem Umstand lag, dass erst sie, dann er einige Zeit im Ausland verbracht hatten, andererseits stand sie für eine Zeit, mit der Benni gründlich abgeschlossen hatte. Daher hatte er, wenn er zu Weihnachten, Ostern oder im Sommer für ein paar Tage in ihre gemeinsame Heimatstadt zurückkehrte, auch Orte gemieden, an denen sie sich gern aufhielt. Aufmerksam hatte er auf Informationen über sie gelauscht. Ihre Freundeskreise hatten sich von jeher überschnitten: Es gab nur zwei Gymnasien im Ort, und wenn man im selben Abijahrgang war, kannte man sich einfach. So erfuhr er meistens nebenbei, ohne sich die Blöße des Nachfragens geben zu müssen, ob sie da sei oder nicht und was sie mache. Doch mit dem allgemeinen Auszug -- aus der Kleinstadt in die große Welt -- waren seine Quellen ... größtenteils versiegt, er kam nur selten auf Besuch in seinem Heimatort vorbei, so dass die Notwendigkeit, etwas über Ines zu erfahren nicht mehr gegeben war. Irgendwo hatte er noch aufgeschnappt, Ines sei nach F. gezogen, wolle dort Grundschullehramt studieren. Pädagogentante, das passt, hatte er gedacht und das ganze darauf gedanklich ad acta gelegt. Mehr als nötig musste er sich ja mit dem Thema nicht befassen. So erklärte es sich, dass ihn die Begegnung auf der Medizinerfete derart unvorbereitet traf. War es Ines selbst oder der Benni, den er an ihrer Seite abgegeben hatte, gewesen, von dem er sich so rigoros losgesagt hatte? Hatte er sich damals wirklich souverän losgesagt oder nur den rechten Augenblick abgepasst, um wegzulaufen? Sinnierend zündete er sich in Sichtweite des Eingangs eine Zigarette an. Während er den Rauch hastig einsog, machte er mit sich aus, dass das keine Rolle mehr spielte. Rauchringe stiegen seltsam gekrümmt in die lau temperierte Nachtluft. Es gab keine Antwort auf die Frage, warum er fast vier Jahre seines Lebens an eine Beziehung gehängt hatte, von der er von Anfang an nie ganz überzeugt gewesen war. Schon früh, nach wenigen Wochen des Zusammenseins hatte sich bei ihm die Erkenntnis durchgesetzt, dass er eine Beziehung führe, die er problemlos führen konnte, allerdings mit einer Frau, die er gut finden, achten, beschützen, aber ganz bestimmt nicht lieben konnte. Sein erstes Mal hatte er mit ihr erlebt. Sie war keine Jungfrau mehr gewesen, hatte ...