1. Die Hand Gottes


    Datum: 03.10.2016, Kategorien: Erotische Verbindungen,

    Der Sonnenuntergang war viel zu romantisch, um ihn ernst zu nehmen. Weit hinter der Jugendherberge versank der Ball zwischen den Häusern, und wir hatten nur Spott übrig. „Wenn sie wenigstens ins Meer tauchen würde", sagte Michael. „Jeden Tag das gleiche", sagte ich. „Ich bau jetzt einen, und dann können wir ein wenig um die Ecke ditschen", sagte Michael. „Und ne Runde absoften", sagte Tim. Er war sehr cool. Sonja lächelte über unsere Köpfe hinweg. Ihre Wangen waren orange. Das Bier war schal. Ich hätte sie jetzt gerne angefasst. Brandung peitschte an die Felsen der Mole. Wir saßen fast am Ende, dort wo tagsüber die Fischer hockten und mit blutigen Ködern nach Doraden angelten. Jetzt waren wir die einzigen Interrailer, Touristen, Kiffer. Links von uns erstreckte sich halmbondförmig der schmutzige Strand, vor uns die breite Mündung des Tejo und rechts das offene Meer. Auf dem Strand war bestimmt mehr los. Sonja zog nervös ihr enges Oberteil glatt. Ihre Tasche, die sie immer bei sich trug, lag zwischen ihren Beinen. Warum war sie hier? Ihre Blicke suchten immer wieder Tim. Jede seiner Bewegung löste eine sichtbare Reaktion bei ihr aus. Sie lachte ihn an und hoffte auf eine Gegenreaktion. Warum vergaß sie ihn nicht einfach? Es gab so viele andere Typen, sogar in unserer Klasse. Unter meinen Armen trocknete der Schweiß. Das T-Shirt drückte sich kühl an meinen Rücken. Vier portugiesische Biere kribbelten hinter meiner Stirn. Michael krümelte Haschisch in die Zigarette, drehte sie ...
    zu einem Joint und zündete sie an. Der Rausch war schnell und zappelig. Ich kicherte, Tim lachte meckernd, Michael grinste schweigend. Und Sonja hustete, schwankte auf dem Stein, wedelte sich den Rauch aus der Nase, grinste und nahm noch einen Zug. Die Mole kippte leicht nach hinten, die Sterne schälten sich quietschend aus dem dunkelblauen Abendhimmel. Über der Jugendherberge schräg rechts von der Mole, auf der anderen Seite der kleinen felsigen Bucht, leuchtete der Himmel wie ein Batik-T-Shirt. Wie mein T-Shirt. Wieso hatte ich so ein T-Shirt? „Das ist total out", sagte Michael nicht ohne Bewunderung. Er war nur neidisch darauf, dass mir das egal war, ob etwas out war oder nicht. Sonja setzte sich auf ihren Hintern, auf den Stein, auf einmal. Gab den Joint weiter. Michael legte die Hände zusammen, als wollte er in der hohlen Hand pfeifen, klemmte die Zigarette zwischen Zeige- und Mittelfinger der einen Hand und saugte die Luft durch die Lücke zwischen Daumen und Zeigefinger. Tabak brannte sich knisternd in das Rauschen des Meeres. Sonja riss die Augen weit auf. Blonde Strähnen hingen ihr ins Gesicht. Sie brütete etwas aus. Ich nahm Michael den Joint aus der Hand. Einmal noch. Das Kribbeln hinter der Stirn wurde drei Meter groß und zog Schlieren. Die Brandung wippte meinen Rücken hinauf. Tim zupfte den Joint aus meinen Fingern, die sich bewegen mussten. „Warum liebst du mich nicht?", fragte Sonja unvermittelt. Ich starrte Tim an, Tim starrte zurück und brach, den rauchenden ...
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