1. Nóstimon Hêmar


    Datum: 19.05.2017, Kategorien: Erotische Verbindungen,

    wollte ich auch nicht angesehen werden; man hat ja seinen Stolz! Und dann ganz im Verborgenen die wunderbare Zeit mit Hans. Da fiel in einer sehr seriösen Wochenzeitung mein Blick auf eine Bekanntschaftsanzeige. Man liest als neugieriges Weib diese Anzeigen ja gern und macht sich innerlich lustig über die Formulierungen, die man da zu lesen bekommt, aber diese klang irgendwie anders. Gekürzt wiedergegeben lautete sie etwa: "Witwer, noch nicht 50 Jahre, mit erwachsener Tochter, sucht eine intelligente Partnerin, die mit ihm Musik von Bach hört, aber auch zarter Intimität nicht abgeneigt ist." "Noch nicht fünfzig Jahre": Das konnte alles bedeuten, bedeutete aber wahrscheinlich achtundvierzig oder wahrscheinlicher neunundvierzig Jahre. "Intelligente Partnerin", "Bach", "zärtliche Intimität": das klang alles sehr verlockend! Aber als Mensch, der etwas auf sich hält, sucht man seine Freunde, Bekannte oder Lebenspartner doch nicht über eine Anzeige! So jedenfalls das fast noch allgemeine Vorurteil. Allerdings gibt es in meiner Familie den Fall einer sehr glücklichen Ehe, wo sich die Partner über eine Heiratsanzeige gefunden hatten, wie immer wieder in etwas abfälligem Ton erwähnt wurde, wenn von diesen Leuten die Rede war, ja, selbst wenn über ihre inzwischen erwachsenen, sehr wohlgeratenen Kinder gesprochen wurde. Der Herr, der diese Anzeige aufgegeben hatte, interessierte mich schon sehr, aber ich traute mich nicht, auf die Chiffre-Anzeige zu antworten. Ich ließ drei Wochen ...
    verstreichen, dann vertraute ich mich mit meinen Zweifeln Trudi an, und die sagte sofort: "Mensch, Melanie: Das könnte der Mann deines Lebens sein. Da mußt du unbedingt antworten -- eigentlich ist es schon zu spät." Sie zerrte mich an ihren Schreibtisch, und wir verfaßten eine Antwort: "Sehr geehrter Herr! Mit großem Interesse habe ich Ihre Anzeige vom ... gelesen. Besonders hat mich Ihr Interesse an Bachs Musik angezogen, aber auch zärtliche Intimität sollte Teil einer Beziehung sein, wie ich sie suche. -- Ich bin vierundvierzig Jahre alt oder jung, Studienrätin für Deutsch und alte Sprachen, in deren Literatur ich vor allem die vielen Berührungspunkte mit unserer heutigen Zeit suche. -- Wenn Sie, geehrter Herr, an weiteren Kontakten und einem Kennenlernen interessiert sind, dann rufen sie mich an unter der Nummer ..., am besten nachmittags. -- Mit besten Grüßen Melanie Knaack." "Den Namen", meinte Trudi, "kannst du ruhig unter den Brief setzen -- den kriegt der Kerl nach der Telephonnummer sowieso raus!" Brief in Umschlag, Umschlag in größeren Umschlag, diesen nicht der Post anvertraut, sondern mit dem Auto zur Redaktion gefahren und den Brief beim Pförtner abgegeben! Als wir wieder bei Trudi zurück waren, sagte sie: "So, jetzt setzt du dich ans Telephon und wartest den Anruf dieses Herrn ab! Wenn er wirklich ein solcher Gentleman ist, wie die Anzeige sich anhört, dann muß er dich anrufen, auch wenn er eine andere Frau gefunden hat!" Ich gehorchte Trudi aufs Wort, setzte mich am ...
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