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Nóstimon Hêmar
Datum: 19.05.2017, Kategorien: Erotische Verbindungen,
uns nicht über Bachs letztem Choral duzen?" "Das würde mich sehr freuen, Frau Knaack -- Melanie -- vielen, vielen Dank --" "Im Sinne von menschlicher Nähe, wie Du sagtest! Mit was wollen wir anstoßen?" "Das ist doch eine heidnische Sitte und paßt jetzt nicht hierher. Ich meine, wir als ,erwachsene Menschen` können uns doch auch ohne Alkohol duzen." "Aber mir wäre es jetzt nach einem Gläschen, sagen wir Kaiserstühler -- machst du nicht mit?" "Mit einem Gläschen, ja!", sagte Waldemar und bestellte uns die Gläser Ihringer. "Ich muß Dir übrigens bei dieser Gelegenheit beichten: Ich hab mich mit falschem Namen vorgestellt: Ich heiße gar nicht Melanie, sondern eigentlich Kerstin -- aber seit meinen Schülerinnentagen, seit wir das Wort ,melas` ,schwarz` gelernt haben, nennen mich alle Melanie außer meiner Mutter, wenn es ernst wird." "So was gibt es doch in jeder Familie: Ich hab einen Vetter, der heißt Peter, wird aber, seit ich denken kann, Jens genannt -- ich glaube, niemand weiß mehr warum!" Nachdem wir auf das "Du" angestoßen hatten, fragte ich Waldemar: "Wie hast du eigentlich deine Frau verloren, oder willst du nicht darüber sprechen?" "Durch einen Unfall. Sie ist unachtsam auf die Straße getreten, und der Audifahrer hat beim Abbiegen nicht auf sie geachtet und sie so unglücklich angefahren, daß sie noch am Abend an inneren Blutungen gestorben ist." "Konntest du noch mit ihr sprechen?" "Ja und nein. Sie war bei Bewußtsein und eigentlich auch in guter Stimmung, aber sehr ... schwach -- ich hab nicht alles verstanden, was sie gesagt hat, aber unter anderem das: ,Es wird schon wieder!`" Jetzt kamen Waldemar die Tränen. Ich nahm seine Hand und sagte: "Du mußt nicht weiter reden. Wir können ja auch ein andermal mehr über deine Frau sprechen." Wir tranken schweigend unseren Wein, und schließlich fragte Waldemar: "Und wo gehen wir das nächste Mal hin?" "Ich schlage vor: Am Sonntag ist in der katholischen Kirche auf Sankt Georg ein Bach-Orgelkonzert." "Und ich weiß, daß in Jork im Alten Land ein Kirchenkonzert mit verschiedenen alten und moderneren Komponisten gegeben wird. Ich schlage vor: Bei gutem Wetter Jork, bei schlechtem Sankt Georg! In Jork können wir auch davor oder danach unter den Obstbäumen spazieren." "Okay, Waldemar -- telephonieren wir vorher?" "Ja, aber sollen wir uns nicht vorher treffen und mit nur einem Auto fahren?" "Ich weiß nicht, ob das klappt, ich müßte zum Mittagessen meine Mutter besuchen, und ich weiß nicht, wie lange das dauert. Ich geb dir ihre Nummer, dann kannst du auch da anrufen, und wir können das Weitere besprechen." Eigentlich war das aber eine Notlüge. Ich hätte wirklich mit meiner Mutter zu Mittag essen sollen, aber ich wollte es in diesem frühen Zustand meiner Beziehung zu Waldemar nicht provozieren, daß einer den anderen nach Hause fährt und es dann schon nach weniger als einer Woche zu einem Wohnungsbesuch kommt. Wie bei allen meinen wichtigen Beziehungen, wie zum Beispiel mit Dieter, zögerte ich die Schritte des ...