1. Walpurgisnacht 02


    Datum: 04.03.2017, Kategorien: Erotische Verbindungen,

    Tim, um Zeit zu gewinnen. „Ich hab nen ziemlich leeren Bauch, und fängst du nicht bald an zu singen...“ „Drohst du jetzt, mich umzubringen?“ „Lass es mich mal so sagen: Du kannst als Lehrer verschwinden oder in meinem Magen.“ Der Wolf starrte plötzlich nachdenklich nach links, Tim nach rechts. Etwas hatte sie überrascht, ganz unabhängig voneinander, wie ein Hagelschauer im April. „Wie sollte ich dich das Spielen lehren, ich hab es selber erst gelernt.“ „Dann rate ich dir sehr, endlich anzufangen, weil in diesem Wald anscheinend jeder Dinge lernt, die ihm nicht unbedingt in die Wiege gelegt wurden.“ „Sprichst du da ganz entfernt etwa von dir?“ „Ich spreche, richtig, wie kein anderes Tier.“ Wieder sah der Wolf zur Seite und Tims Blick verlor sich in der Unendlichkeit. War es wirklich das, wonach es sich anhörte? Und während er nachdenklich in die dunklen Tannen starrte, kam ihm eine Idee. „Gut, Herr...Wolf, ich werd's versuchen. Aber eine Regel gilt.“ „Keine Frage.“ Der Wolf hüpfte hechelnd im Kreis herum. „Sage mir ganz einfach, was ich tun soll.“ Ein breites Lächeln zeigte sich auf Tims Gesicht. Schlecht spielen. Er packte seine Gitarre, zupfte ein paar Saiten und ging zum Wegesrand. Auf dem Fuß folgte ihm der Wolf. Tim ging den Wegesrand entlang und sah auf die Bäume, seine Augen folgten dem Stamm bis zur Krone, dann ging Tim weiter. Den Baum, der seinen Ansprüchen gerecht wurde, packte er an einem tiefhängenden Ast, zog an ihm, ergriff den nächst höheren Ast und zog an ihm ...
    die Tanne bis zur Krone hinunter. „Kraft und Biegsamkeit ist voll gefragt, auch beim Spielen der Gitarre. Also fass mit an...“, knirschte der Spielmann zwischen zusammengebissenen Zähnen. Der Wolf trat heran, Tim drückte ihm das heruntergebogene Ende der Tanne in die Pfoten, sagte „und halt gut fest“ und ließ, gerade als der Wolf seine Tatzen in den Ast krallte, die Tanne los. „Allerbest.“ „Ooooaaaahhhaaauuuuuu!“ Der Wolf fetzte durch die dichten Kronen der Bäume und wurde von der sich ruckartig aufrichtenden Tanne weit in die Luft geschleudert. Irgendwo, weit hinten im tiefsten Wald, fand der Wolf den Erdboden wieder. „Verzauberter Königssohn, jaja.“ Tim nahm seine Gitarre wieder vom Rücken, zupfte an der untersten Saite, spannte sie eine Idee straffer, zupfte erneut, wich einer Luftwurzel aus, strich über alle fünf Saiten und spielte wieder eine Melodie, die er vor Jahren einmal auf einem Volksfest gehört hatte. „Oooh!“, begann Tim aus vollem Halse zu singen. „Ach wie guuut, dass niemand waißßßß, dass ich auf die Wöööölfe scheiß'!“ Irgendwo in der Nähe von Quedlinburg schlug der Blitz ein. Singend wanderte Tim durch den grünen Wald. Das Gelände wurde welliger, und weit vor ihm erhoben sich die ersten Ausläufer des Harzes. Der Weg machte immer wieder einen Bogen um ein besonders dichtes Waldstück oder schlängelte sich an einem Bach entlang. Rechts von ihm lag jetzt der Harz, vor ihm ein Hügel, der Berg dahinter musste die Kleine Roßtrappe sein, von der man ihm erzählt hatte. ...
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