1. Die Burg


    Datum: 06.12.2016, Kategorien: Sonstige,

    Denken ab. Ich wollte nicht denken, ich wollte einfach nur arbeiten. Leider funktionierte das nicht wirklich. Nur Minutenweise lenkte es ab, aber immer mehr Gedanken schossen mir durch den Kopf. Doch nicht nur der Name unter der Grabplatte machte mir Kopfzerbrechen. Es schon sich etwas in mein Gehirn, woran ich zuvor noch gar nicht gedacht hatte. Dorlein war vergangen, nachdem sie ihrem Fluch entkommen war. Was würde mit der Gräfin geschehen, wenn sie ihren Teil vollkommen erfüllt hatte. Ich musste sie danach fragen, sie war mir diese Antwort schuldig. Es wurde langsam dunkel und ich konnte inzwischen auf dem Bergfried nicht mehr genug sehen. Also stellte ich meine Arbeit ein und stieg den Turm herunter. Unten angekommen sah ich im ersten Stock Licht. Da ich genau wusste, dass mich meine unbeantworteten Fragen die Nacht lang nicht schlafen lassen würden, ging ich in Richtung Haupthaus. Wenig später stand ich im ersten Stock und vor der Tür zu dessen das Zimmer gehören musste, in dessen Fenster ich Licht gesehen hatte. Ich klopfte an und trat wenige Sekunden später ein. Das Licht war inzwischen gelöscht worden und ein feiner Geruch von Kerzenwachs lag in der Luft. Am Fenster zum Hof konnte ich die Umrisse der Gräfin stehen sehen. Sodass man mich hören konnte, trat ich ein und ging auf sie zu. Sie bewegte sich kein Stück sondern stand weiterhin bewegungslos dort. Erst als ich neben ihr stand, drehte sie ihren Kopf in meine Richtung. "Was führt euch zu mir?", fragte sie, wobei ...
    keine Überraschung in der Stimme zu hören war. "Dorlein ist erlöst und zu ihren Ahnen gegangen. Was wird aus Genefe von Hochfeldz, wenn der sie bindende Fluch erlischt?" Während ich die Frage aussprach, drehte ich mich so in ihre Richtung, dass sie genau vor mir stand. Sie drehte sich ebenfalls frontal zu mir und wir standen keinen halben Meter auseinander. "Dann werde auch ich die Welt der Lebenden verlassen und endlich wieder mit meiner Familie vereint sein!" Ich sah sie durch die Dunkelheit an und konnte es irgendwie nicht glauben. Sie sagte diese mit einer Selbstverständlichkeit, die mich erschauern ließ. "Aber lieben sie das Leben denn nicht?", fragte ich sie fast ungläubig. "Leben!", sagte sie mit einer gehauchten Stimme. "Ist es Leben, wenn man nicht mehr schlafen kann, obwohl man müde ist? Ist es lebenswert, wenn man nicht Essen und Trinken kann? Nennt ihr es wirklich Leben, wenn ihr den Ort nicht verlassen könnt, der euch umgibt? Ich kann mich nur im Dorf und der Burg aufhalten, komme bis zum Friedhof. Doch was ich von hier oben, in der Ferne erblicken kann, bleibt für mich unerreichbar." Langsam verstand ich, was sie meinte und wieder spürte ich ein weiteres Mal einen Klos in meinem Hals. Ich versuchte ihn herunter zu schlucken, aber er blieb, wo er war. "Ihr seid der Erste seit Jahrhunderten, der mir Wärme bringen konnte, dem sich mein Herz öffnete. Ich spüre dieses wunderbare Gefühl, seitdem ihr hier seid, und bin entzweit in dem Gedanken, den letzten Schritt zu ...
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