1. Die Burg


    Datum: 06.12.2016, Kategorien: Sonstige,

    Die letzten Wochen haben mich dazu veranlasst, diesen Bericht zu schreiben. Ich muss es einfach tun, denn es könnte sein, dass es das letzte Lebenszeichen von mir sein wird. Sollte man mich also suchen, wird es zumindest eine Erklärung dafür liefern, wo ich mich jetzt aufhalte. Obwohl ich dies selber nicht so genau weiß. Aber vielleicht sollte ich von ganz vorne beginnen, denn es sonst zu verstehen, wird schwierig. Alles begann vor gar nicht alt zu langer Zeit. Wobei es mir eher wie gestern vorkommt. Ich verlor meinen Job und musste mir einen neuen Arbeitsplatz suchen. Dabei möchte ich betonen, dass ich nicht entlassen wurde, sondern mein damaliger Chef nicht mit Geld umgehen konnte. Sagen wir es mal so. Er gab mehr aus, als er einnahm und das konnte nicht ewig gut gehen. Es war nicht leicht, einen neuen Arbeitgeber zu finden, denn ich bin ausgebildeter Steinmetz und Maurer, allerdings wollte ich nicht mehr auf dem Bau arbeiten. Der Betrieb meines vorigen Chefs bestand nur aus drei Personen und stellte hauptsächlich Grabsteine her. Gut, nicht gerade das, was ich für immer machen wollte, aber normalerweise krisensicher. Gestorben wurde immer. In schlechten Zeiten sogar noch eher. Was mich dabei allerdings störte, war, dass es auf den meisten Friedhöfen zu starre Regeln gab, die uns Steinmetze dazu veranlasste, eigentlich immer wieder die gleichen Steine zu fertigen. Selbst die Inschriften waren reglementiert und das wurde auf die Zeit öde und langweilig. Es war deshalb schon ...
    ein kleines Fest, wenn auf den älteren Teilen der Friedhöfe ein neues Grab angelegt wurde. Hier waren die Aufträge meistens etwa aufwendiger. Aber auch das nahm ab, denn die Toten waren den Lebenden nicht mehr so viel Wert. Wirklich Interessante arbeiten waren aus diesem Grund nur noch selten dabei. Es klingt vielleicht komisch, aber ich halte mich gerne auf Friedhöfen auf. Es ist ein Ort der Ruhe, ein Ort, an dem man tief einatmen kann und inneren Frieden finden kann. Auch wenn eine Großstadt um einem herumlag, kaum hatte man ein Eingangstor durchschritten, verstummte der Straßenlärm und man trat in etwas ein, was ich wie eine Blase empfand. Es war immer, als wenn man eine dünne Membran durchschritt, die einen von der restlichen Welt abschnitt. Dabei gab es keine Jahreszeit, die ich bevorzugte. Jede Zeit hatte seine Vorzüge. Der Frühling brachte neues Leben, was man an den vielen alten Bäumen erkennen konnte. Sie wurde grün, und wenn dann noch die Knospen aufprangen und ein betörender Duft über den Gottesacker strich, fühlte man förmlich, wie die Natur neue Kraft entfaltete. Im Sommer saß ich dann zu gerne auf einer der Bänke und schaute den vielen Insekten zu, wie sie sich über die Blütenpracht hermachten. Sie machten keinen Unterschied, ob die Blumen hier wuchsen, oder als letzten Abschiedsgruß für einen Verstorbenen abgelegt worden waren. Doch war dieses Schauspiel auf den neuen Abschnitten kaum zu sehen. In den alten Teilen des Friedhofs dagegen, umso mehr. Hier wuchsen ...
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