1. Die Burg


    Datum: 06.12.2016, Kategorien: Sonstige,

    denn was ihr gerade gesagt habt, kann kein anderer gesehen haben, als einer aus eurer Familie." Ich nahm einen weiteren Schluck aus meinem Glas und ließ ihn langsam durch meinen Hals rinnen. Auch wenn ich es während der Erzählung von Frau Gräfin schon geahnt hatte, war es doch noch so etwas wie ein Schock für mich. Immerhin hatte nicht jeder eine Vorfahrin von sich gesehen, die aus dem 14. Jahrhundert stammte. "Dann ist also der Name, der auf dem letzten Grabstein auf dem Friedhof entfernt wurde, der des letzten Burgherrn von Maiden gewesen?" Die Gräfin nickte in weiteres Mal, ohne etwas zu sagen. Plötzlich beschlich mich ein seltsames Gefühl. Etwas stimmte an der Geschichte nicht, zumindest glaubte ich das. Diese Geschichte hatte einen Haken. Als mir die Gräfin die Bilder ihrer Vorfahren erklärt hatte, waren wir bis zu Bess von Hochfeldz gekommen die eine Schwester von ihrer Vorfahrin gewesen sein sollte. Also stammte Genefe von Hochfeldz die neben mir saß letztendlich von der Schwester ab. Wenn es aber nach dem Fluch keine Nachkommen mehr gegeben hatte, was war dann mit Frau Gräfin. Woher kam sie dann? Ich sah sie mir unauffällig von der Seite aus an. Sie saß da wie immer. Fast stocksteif und mit geradem Rücken. Sie starrte wieder ins Feuer und ich meinte zu sehen, wie sie in eine Weite schaute, die ich nicht sehen konnte. "Worüber denkt ihr nach?", fragte sie auf einmal. "Über alles und nichts. Es gibt noch so viele Fragen, die ich hätte, aber eine brennt mir auf der ...
    Zunge!" "Ich weiß!", sagte sie und drehte ihren Kopf wieder in meine Richtung. Ihre schwarzen Augen trafen auf die meinen und ich ertrank fast in ihnen, so unergründlich tief schienen sie zu sein. "Ja, ich bin die letzte Nachfahrin meiner Familie. Juliana von Hochfeldz, die Schwester von Bess, von der es kein Bild gibt, ist meine Mutter gewesen. Es war kein Brand, der die anderen Bilder zerstört hat. Es gibt keine Weiteren. Bitte entschuldigt diese Lüge von mir." Ich hatte es in den letzten Minuten geahnt, aber nicht glauben wollen. Es konnte einfach nicht sein und unter anderen Umständen hätte ich es sofort als eine weitere Lüge abgetan. Doch war mir in den letzten Tagen so viel passiert, dass ich es einfach glauben musste. Es konnten nicht alles Trugbilder gewesen sein, selbst ein überlanger Traum war zu so etwas nicht fähig. Daher glaubte ich auch nicht daran, aufzuwachen und alles wäre vorbei. Gedanken rasten durch mein Gehirn und ich wusste nicht genau, ob ich jetzt verrückt war oder nicht. Wenn man grob rechnete, dann musste Genefe von Hochfeldz über sechshundert Jahre alt sein und das musste ich erst einmal verdauen. Für dieses Alter hatte sie sich erstaunlich gut gehalten. Sie schien zu ahnen, was gerade durch meinen Kopf ging, denn sie nickte ein weiteres Mal und ich meinte so etwas wie eine tiefe Traurigkeit oder Sehnsucht, in ihren Augen zu lesen. Erst jetzt wurde mir auch noch etwas ganz anderes bewusst. Ich war der Letzte aus der Familie von Maiden, sie wiederum die ...
«12...636465...95»