1. Ein langer Abend


    Datum: 04.12.2016, Kategorien: Anal,

    Lärm bringt mich unsanft aus den Untiefen meiner Lektüre in die Gegenwart meines Wohnzimmers zurück. Irgendwo schrillt das Telefon. Leicht verärgert lege ich mein Buch zur Seite, rappele mich von der Couch hoch und schlurfe in den Hausflur, wo der kleine, schwarze Apparat in regelmäßigen Abständen nach meiner Aufmerksamkeit schreit. Ich hebe ihn auf, drücke die Verbindungstaste und nuschele ein lahmes ‚Hallo' hinein. Am anderen Ende der Leitung meldet sich eine muntere Stimme: „Hi, schön dass Du zu Hause bist. Du klingst so komisch, hab ich Dich etwa bei irgendetwas Wichtigem gestört?" Ich komme gar nicht zum Antworten, denn die Stimme plappert sofort weiter: „Wenn dem so ist, leiste ich hiermit Abbitte. Ich bin ganz in Deiner Nähe, hab eine alte Freundin besucht und dachte ich könnte noch bei Dir vorbeikommen. Wir gehen schön zusammen Essen, danach vielleicht ins Kino und sehen dann weiter. Was hältst Du davon? Also, ich finde, das klingt doch gut?" Sie muss Luft holen und am anderen Ende der Leitung tritt eine kurze Pause ein. „Puh, Du bist aber gut drauf", schaffe ich gerade noch zu sagen, bevor der Redeschwall erneut losbricht: „He, markier nicht den Schlaffen. Wann bin ich schon mal in Deiner Ecke? Bisschen mehr Begeisterung, bitte. Du solltest Dich über den Anruf Deiner besten Freundin Irene freuen, die Dich aus Deiner Höhle zerren und Dir die netten Seiten dieser Welt zeigen will. Also hör ich jetzt ein begeistertes Ja oder was?" Eigentlich ist das keine schlechte ...
    Idee, dass mit dem Essen gehen. Im Kino war ich auch schon eine Ewigkeit nicht mehr. Die letzten Filme die ich mir angesehen hatte, waren alle mehr oder weniger langweilig gewesen. Nur ödes Hollywood Kino, nichts wirklich originelles dabei. Deshalb hatte ich es einfach aufgegeben, das Kinoprogramm zu studieren und meine Freizeitgestaltung mehr auf das Lesen verlegt. Da meine Antwort immer noch ausstand, erwiderte ich: „Na gut, überredet. Ich stecke zwar mitten in einem spannenden Roman, aber der muss dann wohl warten. Ich schwing mich in Ausgehklamotten und Du sammelst mich hier ein. Soll ich uns vorher noch einen Tee machen oder geht's gleich los?" „Ah, das klingt ja schon viel besser. Tee ist immer eine gute Idee. Ich bin so in etwa einer halben Stunde bei Dir. Das reicht Dir doch, oder?" Ich bejahe kurz, sie trällert ein lang gezogenes: „Tschüüüss" und „...bis gleich, freu mich auf Dich", in die Muschel und mit einem Knacken ist die Leitung tot. So, so, resümiere ich, Irene ist heute also gut gelaunt und aufgedreht. Sie ist eine der seltsamsten Frauen, die ich je kennen gelernt habe. Genauso munter und vor Unternehmungsgeist sprühend, wie gerade am Telefon, konnte Sie auch depressiv und unnahbar sein. Vor ungefähr 8 Jahren hatten wir uns getrennt. Ich glaube, ich hielt Ihre heftigen Gemütsschwankungen einfach nicht mehr aus und beschloss, wieder alleine zu leben. Sie war damals ziemlich sauer auf mich gewesen und hatte deshalb zwei oder drei Jahre Funkstille eingelegt. Meine ...
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