1. Königin


    Datum: 28.08.2018, Kategorien: 1 auf 1,

    ihm unterhalten, zum Teil sehr persönlich und privat. Er fragte nach, er interessierte sich. Er hatte gute Ansichten und konnte Situationen gut einschätzen. Und er gab einem absolut das Gefühl, dass man sich auf einer Ebene unterhält. Er schaute nicht auf mich herunter, weil ich jünger war, nicht weil ich eine Frau war, und nicht, weil ich einen einfacheren Job hatte als er. Bisher war er wie ein guter Kumpel. War er jetzt mehr? Nach wenigen Minuten kam ein Taxi. Wir verbrachten die Zeit mit Small-Talk, bewerteten den Abend und lästerten ein wenig über den einen oder anderen Kollegen. Er hielt mir die Türe auf und stieg dann von der anderen Seite zu mir nach hinten ein. Wenn mein Freund so etwas macht, dann grinst er dabei schief und es wirkt ein bisschen komisch. Bei Paul war es selbstverständlich. Schweigend fuhren wir Richtung Hotel. Es waren nur 10 Minuten zu fahren. Selten kamen mir 10 Minuten so lange vor. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Ich wusste nicht, wohin ich schauen sollte. Ich kam mir vor wie 15, obwohl ich gerade 25 geworden war. Kurz bevor wir ankamen durchzuckte mich ein Blitz. Seine Hand hatte sich kurz auf meine gelegt, er lächelte mich an: "Wollen wir noch einen kurzen Absacker in der Hotelbar nehmen, auf diesen gelungenen Abend?". Mein Mund sprach ohne meinen restlichen Körper, völlig ohne mein absichtliches Tun: "Ja klar, warum nicht?". War ich völlig abgedreht? Warum ging ich nicht auf kürzestem Wege auf mein Zimmer und schrieb meinem Freund ...
    eine SMS, dass ich ihn liebte? Kroch unter meine Bettdecke und schlief diese Stimmung weg, ganz weit weg? Wo sollte das enden, was machte ich da? Paul war verheiratet, hatte zwei Kinder. Ich lebte seit einem Jahr mit meinem Freund zusammen. Wenn ich hier nicht aufhörte, dann konnte ich für nichts garantieren. Dabei machte Paul gar nichts besonderes. Keine anzügliche Bemerkung, keine ungehörige Berührung, nichts. Bildete ich mir das alles ein? Vermutlich würden wir an der Bar einen Absacker trinken und dann völlig normal jeder auf sein Zimmer gehen. Paul spürte wahrscheinlich nicht einmal, was in mir vorging. Also weiter normal bleiben und morgen früh würde ich über mich selbst lachen. Ich bestellte einen Aperol Spritz, er trank eine Whisky-Cola. Wir sprachen nicht viel, unterhielten uns ein wenig über Hotels, über die Stadt, über das Lokal, in dem wir waren. Es war nicht mehr viel los an der Bar, der Barkeeper schaute so, als sei er froh darüber. Unsere Barhocker standen dicht aneinander. Irgendwann drehte ich mich mich zu ihm, und unsere Beine berührten sich. Ich schaute ihn von der Seite an. Mein Kopf war leer, es gab keine Gedanken mehr. Er hob den Kopf und schaute mir direkt in die Augen. "Gehen wir nach oben?" Ich nickte. Das Leben war sehr einfach in diesem Moment. Bis zum fünften Stock war es nicht weit im Fahrstuhl. Es reichte für den ersten Zungenkuss. Der Weg zu seinem Zimmer -er hatte ein Doppelzimmer, ich nicht- war kurz genug, um meinem Skrupel keine Chance zu ...
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