1. Vergesst Wagner?


    Datum: 07.05.2018, Kategorien: Reif,

    Sitznachbar ans Herz griff und dann obendrein »... und dann der Schwindel ...« ergänzte und zuletzt. »Und Regina - sie hat ja gar keinen Schein« »Regina?«, langsam zerging der königliche Vorname auf Richards Zunge, auch wenn das mehr für sich selbst gedacht war und er sich sehr wohl vorstellen konnte, wer damit gemeint war. »Achso - entschuldigen Sie bitte ... kein wirklich idealer Ort für eine Vorstellung ...«, lächelte er verlegen ihn indirekt über den Spiegel des Waschbeckens an und erklärte in wenigen präzisen Worten, dass Regina seine Frau seit Ewigkeiten schon sei, mittlerweile nicht mehr arbeite, sie ehemalige Literaturprofessorin und er eben Richter jetzt im Ruhestand, wohlweislich auf den Unterschied zur Pension andeutend, ohne jedoch diesen in explizite Worte zu formulieren. Ein wenig schien das Eis gebrochen zu sein zwischen wildfremden Menschen, die einander nur dadurch kurz kennen lernen, eher sehen lernen, weil sie zufällig nebeneinander sitzen, ob im Kino, der Straßenbahn oder der Oper ... Mehr an echter Kommunikation aber ließ die kurze Pause gar nicht zu, als diese knappen Worte - denn schon bimmelte die Glocke und rief die Zuschauer wieder auf ihre Plätze zurück. Die Frau des älteren gesundheitlich angeschlagenen Herren war schon vorgegangen, was Richard prinzipiell als eher untypisch erachtet hätte, wo sie doch um den Zustand ihres Gatten hätte Bescheid wissen müssen, oder? Aber diese Regina schien eine besondere Liebhaberin von Opern und Theater zu sein, ...
    kein Wunder als ehemalige Literaturprofessorin, und insoferne war es dann nicht verwunderlich, dass sie auf ihren Mann eben schon im Kino selbst wartete: Wie zuvor in der letzten Reihe, nur aber ... nicht mehr ganz auf ihrem Platz, den sie zuvor eingenommen hatte. »Schönen Abend«, nickt ihre Richard zu, wie er sich an Regina vorbei drängte, dabei ungewollt ihr Knie mit seinem berührte und vielleicht um eine Sekunde länger den Kontakt aufrecht erhielt, als es hätte notwendig sein müssen. Der Rock ihres Abendkleides endete knapp über ihrem Knie, dunkler edler Stoff, dunkles interessantes Parfum und relativ lange gepflegte braune Haare, sicherlich gefärbt. Alles in allem eine sehr reife und interessante Erscheinung, der man das vermutete Alter um die fünfzig und gar mehr sicherlich nicht glauben konnte. Als wäre es selbstverständlich, saß nun nicht mehr ihr Mann links von Richard, sondern die beiden hatten Plätze getauscht und Regina nahm in der Mitte, somit zwischen den beiden total unterschiedlichen Charakteren und Männern Platz. Richard störte dieser Wechsel ganz sicherlich nicht, denn so wie er zuvor mitbekommen hatte, schien Reginas Mann ohnedies relativ bald nach den ersten Arien einzuschlafen und ein wenig störend zu schnarchen. Wohl sicherlich fiel er nicht deswegen bald in Schlaf, weil die Aufführung schlecht oder fad gewesen wäre, sondern wohl weil er einfach die Kraft nicht mehr aufbringen konnte, sich ein paar Stunden auf etwas zu konzentrieren, egal ob schön oder ...
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