1. Vergesst Wagner?


    Datum: 07.05.2018, Kategorien: Reif,

    Rheingold By Marion deSanters © Wagner, nein Danke? - das wäre für ihn bis vor kurzem noch die normalste, instinktive Reaktion gewesen, wäre er gefragt oder eingeladen worden, in die Oper zu gehen. Wie es Richard dann aber doch geschafft hatte, sich den Ring der Nibelungen anzusehen, das war für ihn selbst anfangs ein Rätsel, ohne jeden Zweifel. Primär war es aber wohl damit begründet, dass er sich für seine Spezialarbeit in Literaturgeschichte das breite Thema der alten Sagen mit Konzentration auf die Nibelungen vorgenommen hatte. Und naja, da lag es auch sehr nahe auf der Hand, sich Sekundärliteratur, Musik, Verfilmungen und weitere Quellen aus dem Umfeld anzusehen, um möglichst umfangreich und allwissenschaftlich an das Thema heran zu gehen, ehe er dann seine Meinung verfassen wollte. Und die Möglichkeit, den Ring nicht nur nach Einwurf einer kleinen Geldlawine in Bayreuth zu verfolgen, sondern mit hervorragenden Sängern zumindest einmal die erste Übertragung aus der Metropolitan sich im Kino anzusehen, die hatte dann doch eine gewisse Verlockung, der er in Anbetracht des notwendigen Studienfortschrittes auch gerne erlegen war. Der langen Rede kurzer Sinn - bereits in der ersten Stunde des Rheingoldes war Richard nicht nur von der beeindruckenden Inszenierung an der Met, vor allem was das Computer gesteuerte Bühnenbild betraf, begeistert, sondern auch die Musik hatte ihn in Bann gezogen. Weniger, das musste er für sich eingestehen, der Gesang - wo im Gegensatz zu den ...
    italienischen Opern der etwa gleichen Zeit ein Wettstreit im belcanto vorherrschte, sondern primär die orchestralen Darbietungen, zu denen Meastro James Levine seine Philharmoniker zu Höchstleistungen dirigierte. Ja, sicher schwer uns schwülstig, das konnte man nicht unterlassen, war die Musik getrieben - und immer wieder Deutsch- und Tugendtum untermalend, ohne aber wirklich das meinend, wofür er später von dem ex-Braunauer missbraucht wurde, den wir so gerne als Deutschen darstellen... Immer wieder von allem Anfang an auch klang die subtile Andeutung des einzigen Musikparts durch, an den sich Richard im Vorhinein schon hatte entsinnen können - dem Ritt der Walküre, der aber, Nomen est Omen, nicht im ersten Teil folgen sollte. Er war überrascht, wie sehr die Zeit verflogen war - hatte er sich in seinem tiefen Inneren immer Wagner als quälendes Mühsal von Stunden vorgestellt oder aber war es ihm so berichtet worden, so war der junge Student (der Literatur) total verblüfft, dass die Pause nach zwei Stunden eingeläutet wurde und es ihm immer noch so vorschwebte, als hätte er vielleicht eine Stunde maximal den Klängen und orchestralen Darbietungen gelauscht. Wie fast alle, auch wenn es nicht pressierte im wahrsten Sinn des Wortes, aber er trottete dann den meisten in Richtung Bar und Toilette nach, um sodann entspannt den letzten Teil von Rheingold verfolgen zu können. »Darf ich ...«, es war ihm sichtlich peinlich, dass er am Pissoir den jungen Mann ansprach, es hatte fast den ...
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