1. Vergesst Wagner?


    Datum: 07.05.2018, Kategorien: Reif,

    Anschein, ansprechen musste - so zumindest fühlte es Richard, der genau an jenen Orten auch üblicherweise das Gespräch, vor allem mit Fremden, vermied. Doch nicht vor der Muschel - wenn schon irgendwie, dann beim Waschbecken, hätte seine Prämisse gegolten. Dort galt die Schranke des Gesprächs unter Fremden nicht mehr. »Darf ich - indiskret sein?«, fragte dieser mit leicht gerötetem Kopf, sodass sich die Farbe seinen dunkel geschwollenen Augen anpasste. Ja, es war tatsächlich jener Mann, der direkt neben ihm gesessen hatte und zu seiner Seite dann wohl jene Frau, so nahm Richard an, die ein betont angenehmes Parfum aufgetragen hatte, in einem attraktiven aber kurzen Abendkleid ... er hatte dieses und die reife Frau nur kurz gesehen und wohlwollend betrachtet, wie er sich an den beiden vorbei auf seinen Platz hin vorbei geschoben hatte. Auf die Minute genau hatte es Richard in den Kinosaal am Wienerberg geschafft - dass die Vorstellung wirklich so früh am Nachmittag beginnen würde, stand zwar in den Ankündigungen und so auch im Internet, aber irgendwie ... naja geschafft ist geschafft, dachte er sich, wie er in den Sessel gesunken war und Deborah Voigt ihre letzte Ankündigung von ihren Lippen gesprochen hatte: Dann war es schon finster im Saal geworden und das leichte Raunen und Tratschen der Leute war mit einem Mal verstummt. »Sind Sie mit dem Auto da?«, verwunderte der ältere Mann ihn mit der nächsten Frage - und Richard schüttelte den Kopf, sichtlich verwundert, um nicht ...
    fast zu sagen, verstört ob der unerwarteten fast indiskreten Frage. »Nein - ... Führerschein hätte ich ... aber kein Auto und noch dazu in Wien ...« Richard antwortete fast mechanisch und er schüttelte erneut den Kopf und sah den älteren Mann ein wenig verwundert von der Seite her an, dessen Gesicht sich aber zu erhellen schien, dass seine Frage nicht vollends unhöflich abgeschmettert und von sich gewiesen wurde. Offenkundig hatte er ein weiteres Anliegen, das er aber nicht so einfach von sich geben wollte, was auch immer es wäre. Ob Richard selbst weiter fragen sollte, ob denn das jetzt die eigentliche Frage gewesen wäre, lag ihm fast auf der Zunge, aber das schien gar nicht notwendig zu sein. Der Mann neben ihm ächzte offenkundig, aber das taten viele und nicht notwendigerweise immer nur die älteren Männer, die eher Probleme beim Wasser lassen hatten - und es schien auch durchaus eine Weile noch zu dauern, ehe er sein bestes Stück abschüttelte und sich dann wohl erneut an ihn mit der nächsten Frage oder Bitte wenden würde. »Es ist mir einfach peinlich ...«, setzte er dann auch genau dort fort, wo er im wesentlichen von der Aussage her aufgehört hatte. »Ich habe meine Tabletten zu nehmen vergessen und ... jetzt«, damit sah er mit glasigen Augen recht hilflos durch den Spiegel zu Richard hinüber. »Und dann - ich weiß es ... dann kann oder sollte ich nicht fahren?« Richard sah ihn fragend an, war im Begriff, den ersten nicht direkt ausgesprochenen Bitten zu folgen, als sich sein ...
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