1. Christine 01


    Datum: 04.09.2017, Kategorien: Erotische Verbindungen,

    Es war einer dieser unseligen Tage, an denen nichts gelingen wollte. Zuerst die missratene Prüfungsarbeit, dann der Teller in der Mensa, der über die Tischkante kippte und seine Hose mit Kartoffelsuppe tränkte... und zum krönenden Abschluss auch noch der Abendzug, der ihm vor der Nase entschwand. Zwar war seine Jeans in der Zwischenzeit wieder staubtrocken, aber als er dem Bahnsteig entlang schlurfte, stellte er fest, dass sie sich anfühlte wie eine Hose aus Büffelleder. Irgendwie war an diesem Tag schon zuviel schief gelaufen, als dass er sich noch darüber hätte ärgern können, dazu war er auch viel zu müde. Er würde nun, statt sich in der Nachbarstadt den neusten 3D-Film anzuschauen, in seine Bude zurückkehren, sich aufs Bett werfen und über der Frage brüten, warum ihm seine Freundin letzte Woche den Laufpass gegeben hatte. Zeit dazu hatte er genug, denn am nächsten Tag begannen die Semesterferien. *** Plötzlich stand sie vor ihm. Mitten in der Bahnhofshalle. Immer noch war ihre Ausstrahlung da wie eine Zauberkraft, die alle Passanten dazu brachte, einen großen Bogen um sie beide herum zu machen. Die Zeit stand still. Nur er und sie. Alles war wieder, als wäre es bloß Tage zuvor gewesen. Dabei lagen Jahre dazwischen. Es war wirklich sie, die vor ihm stand, gerade mal zwanzig geworden. Sie freute sich wie damals als Schulmädchen, ihn zu sehen, erzählte ihm über ihr Leben, ihre Pläne, ihren Freund, und dass er morgen doch vorbeikommen solle, sie wäre bei ihrer Mutter zu ...
    Besuch und würde ein paar Tage bleiben. Natürlich sagte er zu. Sie kritzelte seine Handynummer in ihr winziges Notizbuch, und noch Minuten später, nachdem sie sich verabschiedet und ihm einen schönen Abend gewünscht hatte, stand er in der Bahnhofshalle, blickte durch die Passanten hindurch, die den Ausgang verstopften, und versuchte zu ergründen, warum sie sich zwischen den Portalsäulen flüchtig umgedreht und ihm lächelnd zugewinkt hatte. Christine! Sie war nie weg gewesen, immer irgendwie gegenwärtig, selbst in den besten Zeiten mit seiner Freundin. Und nun war Christine in der Stadt... und wollte ihn treffen! Allmählich drohte die rempelnde Menschenmenge ihn wieder auf den Bahnsteig zurück zu schubsen, und er entschloss sich, zu Fuß nach Hause zu gehen. Zuerst musste er seine Gedanken sortieren. Als er den Bahnhofsplatz überquerte, atmete er tief durch und stellte fest, dass sich das Leben schon Ewigkeiten nicht mehr so leicht und so frei angefühlt hatte wie an diesem lauen Juniabend. Zum ersten Mal spürte er Erleichterung darüber, dass das Zanken und Hadern mit seiner Freundin ein Ende gefunden hatte. Auf dem Nachhauseweg zog die Zeit vor seinen Augen vorbei, als er mit Christine die Schule besuchte. Sie war die Seele der Klasse, vertrug sich mit allen, vermittelte bei Streit, war immer dabei, ohne sich in den Vordergrund zu drängen, das hatte sie auch nicht nötig. Zwar war sie nicht der Klassenschwarm, diese Rolle wurde durch die schrille Beatrice besetzt, dafür aber stand ihr ...
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