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Die Stille
Datum: 11.10.2016, Kategorien: Verführung,
Der dicke Glatzkopf hörte auf an seinem Ohr zu kratzen und erhob sich, griff nach seinem schwarzen Köfferchen und verließ das Abteil. Nun waren wir noch zu dritt und die Rothaarige hatte ihre Seite für sich allein. Sie kramte in der Tasche und holte nacheinander ein Buch, einen Laptop, eine Zeitung, eine Mineralwasserflasche, einen Taschenspiegel, ein Glas Marmelade, ein Handy und einen Lippenstift heraus, verteilte alles wahllos auf den Sitzen zu ihrer Rechten, betrachtete es mit prüfendem Blick und dachte offensichtlich nach. Die junge Frau neben mir seufzte zum soundsovielten Male und drückte auf ihrem MP3-Player herum. Draußen zog die Landschaft an mir vorüber. Obwohl - in Wahrheit zog ich an der Landschaft vorüber, sie blieb, wo sie immer schon gewesen war. Der Mensch nimmt sich so wichtig, dass er glaubt, alles bewegt sich rund um ihn, obwohl nur er selbst es ist, der keine Ruhe findet. Ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen, als die Rothaarige sich erst die Lippen bemalte und aufeinanderpresste, das überschüssige Rot in einem Taschentuch abtupfte, einen Schluck aus der Flasche nahm, die Lippen abermals nachzog, den Laptop aufklappte und zur Zeitung griff. Ich stellte sie mir in dem Kloster vor, aus dem ich gerade kam. Sie hätte die Schweigeexerzitien vermutlich nicht länger als eine halbe Stunde durchgehalten. Schweigen im Kloster bedeutete nämlich nicht nur, nichts zu sprechen, sondern auch das Tun auf das Notwendige zu reduzieren. Ins Innen zu schauen ...