1. Unter der Decke


    Datum: 01.04.2017, Kategorien: Erotische Verbindungen,

    Nach der Operation musste ich zwei Wochen im Spital bleiben. Ich lag in einem Viererzimmer, meist auf dem Bauch, da die Wunde im Rücken war. Gegenüber lag noch ein Patient. Er war arm dran nach dem Schlaganfall. Sein Sprachzentrum war in Mitleidenschaft gezogen und er konnte sich nicht mehr richtig ausdrücken. Wenn er kacken wollte, dann mussten die Schwestern ihn mit dem Gummifinger ausräumen. Da ich nur mit grosser Anstrengung aufstehen konnte, musste ich meistens zusehen, was mir peinlich war. Toni, so hiess der Mann, nervte mich trotz seiner Tragödie. Er hörte im Radio beinahe den ganzen Tag Volksmusik. Und nachts schnarchte er. Neben meiner Unfähigkeit, mich normal zu bewegen, kam die Unmöglichkeit anständig zu schlafen hinzu. Nur mit Hilfe von Wachsstopfen in den Ohren konnte ich ein paar Stunden am Stück erholsam ruhen. Toni war etwa Mitte dreissig, in seinen besten Jahren also. Als ich seine wunderschöne Frau und die nicht minder hübsche Tochter zum ersten Mal sah, da machte ich mir meine eigene Empfindlichkeit zum Vorwurf. Was hatte der Mann alles verloren? Wie würde diese Familie mit dieser Bürde fertig werden? Die Frau war schlank und zierlich und doch an den richtigen Stellen weiblich. Sie hatte glattes, dunkles und schulterlanges Haar. Ich hatte mich gleich in sie verliebt. Ihre zurückhaltende, etwas hilflose Art, angesichts dieser Tragödie, gab mir den Rest und die guten zehn Jahre Altersunterschied schmolzen in meiner Vorstellung dahin. Ich wollte sie ...
    unbedingt beschützen. Die Frau war trotz ihres guten Willens und ihrer aufopfernden Art nicht in der Lage, ihrem Mann bei zu stehen. Immer wieder musste sie sich von den Krankenschwestern helfen lassen. Schwestern. Himmel und Hölle zugleich. Es gab solche und solche. Da war Schwester Bettina, die streng darüber wachte, dass ich nicht zu sehr verwöhnt wurde. Während andere mir die vom Auf-dem-Bauch-Liegen wunden Ellbogen mit Salbe einstrichen, hielt sie mir bloss die Tube hin, das Biest. Auch sie war mir eine halbe Generation voraus und auch sie war trotz ihrer Strenge hübsch. Aber ihre Unnahbarkeit hielt mich auf Distanz, ich wagte nicht einmal ihr Komplimente zu machen, geschweige denn zu flirten. Schwester Anna-Rosa hatte lange Haare, trug ein Holzkreuz auf der Brust und ihre Füsse steckten in selbstgestrickten Wollsocken und Jesus-Sandalen. Auf ihren Beinen kräuselten sich die Haare. Sie gab sich ganz der Pflege anderer hin und sie glaubte an ihre christliche Mission. Von ihr konnte man alles haben. Ausser den eingesalbten Ellbogen und einer Flasche Wasser auf meinem Nachttisch, wollte ich nichts von ihr. Milena (ohne Schwester) war die etwa gleichaltrige, tapsige, ewig nachsichtige, ewig freundliche Dicke, die ebenfalls alles für mich tat. Sie stützte mich, wenn ich zum täglichen Kamillenbad humpelte, sie half mir beim Auskleiden und beim Abnehmen des Verbandes. Sie hielt mich, wenn ich mich unter Schmerzen in die Wanne setzte, sie trocknete mich ab, zog mich wieder an und führte ...
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