1. Tagebucheintrag


    Datum: 26.02.2017, Kategorien: Voyeurismus / Exhibitionismus,

    Die Handtasche auf dem Schoß als Schreibunterlage nutzend, notiere ich meine Gedanken in dem kleinen Notizbüchlein. Es macht mir nichts aus, dass die U-Bahn ruckelt und bei jedem Bremsen und Beschleunigen die Menschen, die nicht so glücklich wie ich waren, einen der knappen Sitzplätze zu ergattern, zwingt sich festzuhalten. Zwar gleitet mein Stift immer wieder auf dem Papier aus, aber ich hätte auch gar nicht die Absicht, besonders leserlich zu schreiben; so ist die Gefahr geringer, dass jemand, der mir zufällig über die Schulter schaut, meine privaten Tagebucheintragungen liest. Das Risiko ist heute allerdings vernachlässigbar. Jeder scheint von der Hitze des langen Tages ermattet, geradezu lethargisch. Daran kann auch die relativ kühle Luft in den unterirdischen Tunneln nichts ändern. Das bisschen Fahrtwind, das durch die winzigen Lüftungsschlitze am oberen Rand der Fensterscheiben in den Wagon gelangt, kommt gegen die Wärme der aufgeheizten, dicht an dicht gedrängten Menschen nicht an. Alle sitzen oder stehen unaufmerksam an ihrem Platz, erschöpft von einem anstrengenden Arbeitstag in der sommerlichen Stadt, und freuen sich vermutlich schon auf ein kühles Bier auf dem Balkon oder ein erfrischendes Bad. Mir geht auf, dass die Situation etwas geradezu Paradoxes an sich hat. Ausgerechnet hier in dem überfüllten Zug, wo man seine gewohnte Distanz zum Gegenüber aufgibt, sich zufälliger Berührungen kaum und der mehr oder weniger angenehmen Körpergerüche seiner Mitmenschen gar ...
    nicht erwehren kann, scheint die Anonymität unüberwindlich zu sein. Wer weiß schon, wer hier neben wem steht? Selbst ein paar gemurmelte Höflichkeitsfloskeln führen zu keinem Gespräch oder gar zu einen Kennenlernen. Diese Idee macht mich neugierig. Wer sind die Menschen, die um mich stehen? Und denken manche von ihnen vielleicht genauso wie ich? Als ich den Blick bemerke, schlage ich unwillkürlich meine Beine übereinander und richte mich auf. Aus dem Augenwinkel hatte ich begonnen, die beiden Männer, die mir gegenüber sitzen, zu betrachten. Der eine döst. Die Augen des anderen sind eindeutig auf meine nackten Oberschenkel gerichtet. Wie kann er nur?! Nur langsam weicht meine reflexhafte Empörung, während ich aufschreibe, was mir durch den Kopf geht, und sie macht Platz für diesen neuen, aufregenden Gedanken: hat er etwas gesehen? Weiß er es? Mein leichtes, geblümtes Sommerkleid klebt unangenehm an Bauch und Rücken, so dass ich daran herum zupfe, um es zu lockern. Der Ausschnitt ist nicht besonders tief. Und mit meiner wenig beeindruckenden Oberweite ist es auch kein Problem, keinen BH darunter anzuziehen. So wie ich aussehe, lenke ich jedenfalls keine besondere Aufmerksamkeit auf mich, weder im Stehen noch im Sitzen. Der Rock endet knapp über meinen Knien und umspielt beim Gehen locker meine Beine. Selbst beim schnellen Laufen umweht er meine Oberschenkel und nur gelegentlich blitzt ein wenig mehr blanke Haut darunter hervor. Nichts Unanständiges oder gar eine Gefahr, mich zu ...
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