-
Tagebucheintrag
Datum: 26.02.2017, Kategorien: Voyeurismus / Exhibitionismus,
Die Handtasche auf dem Schoß als Schreibunterlage nutzend, notiere ich meine Gedanken in dem kleinen Notizbüchlein. Es macht mir nichts aus, dass die U-Bahn ruckelt und bei jedem Bremsen und Beschleunigen die Menschen, die nicht so glücklich wie ich waren, einen der knappen Sitzplätze zu ergattern, zwingt sich festzuhalten. Zwar gleitet mein Stift immer wieder auf dem Papier aus, aber ich hätte auch gar nicht die Absicht, besonders leserlich zu schreiben; so ist die Gefahr geringer, dass jemand, der mir zufällig über die Schulter schaut, meine privaten Tagebucheintragungen liest. Das Risiko ist heute allerdings vernachlässigbar. Jeder scheint von der Hitze des langen Tages ermattet, geradezu lethargisch. Daran kann auch die relativ kühle Luft in den unterirdischen Tunneln nichts ändern. Das bisschen Fahrtwind, das durch die winzigen Lüftungsschlitze am oberen Rand der Fensterscheiben in den Wagon gelangt, kommt gegen die Wärme der aufgeheizten, dicht an dicht gedrängten Menschen nicht an. Alle sitzen oder stehen unaufmerksam an ihrem Platz, erschöpft von einem anstrengenden Arbeitstag in der sommerlichen Stadt, und freuen sich vermutlich schon auf ein kühles Bier auf dem Balkon oder ein erfrischendes Bad. Mir geht auf, dass die Situation etwas geradezu Paradoxes an sich hat. Ausgerechnet hier in dem überfüllten Zug, wo man seine gewohnte Distanz zum Gegenüber aufgibt, sich zufälliger Berührungen kaum und der mehr oder weniger angenehmen Körpergerüche seiner Mitmenschen gar ...