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Die Zuhörerin
Datum: 19.12.2016, Kategorien: Sonstige,
Die Zuhörerin Als er den halbdunklen Raum betrat, hatte sie alles vorbereitet. Der Sessel stand vor dem kleinen Tischchen, auf welchem eine Karaffe mit Rotwein und das Manuskript lagen. Die Stehlampe daneben warf ein schummriges Licht; gerade ausreichend, damit er lesen konnte. Sie hatte sich nackt auf das Sofa gelegt, die dünne Bettdecke über sich, und auf den Augen eine Schlafbrille. Sie wollte ihn nicht sehen. Sie wollte ihn nur hören. Und so hatte sie alles genau so vorbereitet, wie es verabredet gewesen war. Die Uhr schlug Zehn. Er war pünktlich. Obwohl er versuchte, so leise wie möglich zu sein, spürte sie seine Energie im Raum. Ihre Ohren waren geschärft. Ganz genau nahm sie wahr, wie er sich in den Sessel setzte. Er sagte keinen Gruß oder irgendetwas. Er hielt sich an die Vereinbarung. Sie spürte bereits jetzt leichte Erregung. Er griff nach dem Manuskript, das sie verfasst hatte. Ein Manuskript, in welchem sie ihre heimlichsten erotischen Phantasien aufgeschrieben hatte. Eben jenes Manuskript, das es für ihn nun vorzulesen galt. Ihn reizte diese seltsame Begegnung. Die Mail, die sie ihm vor einer Woche geschrieben hatte, hatte ihn neugierig gemacht. Dort hatte sie geschrieben, dass sie mit einer seltsamen Bitte zu ihm käme. Sie sei zufällig auf diese Hörbücher gestoßen, die er eingelesen hatte. So harmlos die Geschichten waren, die er dort vortrug, so hatte doch seine Stimme in ihr heimliche Sehnsüchte geweckt. Und wie enttäuscht sie stets gewesen wäre, dass seine ...