1. Die Burg


    Datum: 06.12.2016, Kategorien: Sonstige,

    gewesen wäre, wäre mir sicher mein Speichel an der Seite herausgeflossen. "Habe ich euch irgendwie erschreckt?", sagte sie auf einmal zu mir, verzog die schmalen Lippen zu einem hintergründigen Lächeln und legte ihren Kopf leicht schräg. Das wiederum brach dann mein Schweigen und ich fand ins Jetzt und hier zurück. "Oh, entschuldigen sie Frau Gräfin", meinte ich und erhob mich von meinem Stuhl. Dabei war ich froh, dass mir der Adelstitel wieder eingefallen war. Sie nahm es mit wohlwollen auf, denn ich meinte zu sehen, wie sich ihr Lächeln verstärkte, als ich sie so nannte. "Möchten sie sich zu mir setzen oder möchten sie woanders hingehen?", fragte ich sie sofort, um freundlich zu sein. "Es ist eher ungewöhnlich, dass der Eingeladene diese Vorschläge macht, aber ich nehme gerne bei euch Platz, wenn ihr mir einen Stuhl anbieten würdet!" Ein Fauxpas allererster Kajüte. Wieso war mir das nicht gleich eingefallen. Auch wenn ich mich normalerweise nicht in adeligen Kreisen bewegte, so waren diese Gesten doch immer wieder etwas nettes. Leider standen die meisten Menschen nicht mehr darauf, obwohl ich sie noch gerne zelebrierte. So etwas drückte schließlich auch die Wertschätzung gegenüber dem anderen aus. Sofort umrundete ich den Tisch, zog einen Stuhl hervor und wartete, bis sie davor stand. Erst dann schob ich diesen vorsichtig wieder nach vorne. Sie setzte sich nicht ganz auf den Stuhl, sondern eher auf den vorderen Rand um dann stocksteif zu verharren, bis ich mich selber ...
    wieder gesetzt hatte. "Ihr seid also Jens von Maiden, schön euch kennenzulernen!", sagte sie, wobei ihr zauberhaftes Lächeln immer noch ihren Mund umspielte. Ja, auch ich haben den Vorsatz "von", aber lege nicht alt zu großen Wert darauf. Einmal davon abgesehen, dass ich nicht einmal weiß, woher er kommt. Ich hatte zwar schon öfter mal Ahnenforschung betreiben wollen, aber war nie dazu gekommen. Zu langwierig. Außerdem, was hatte ich davon, wenn ich wusste, wer mein Urururururgroßvater war. Vielleicht entstammte ich ja aus verarmtem Adel, aber das konnte ich nicht sagen. Gebracht hatte es mir bis jetzt jedenfalls nichts. "Ich habe euch kommen lassen, da ich auf meiner Burg ein paar Dinge ausgebessert haben möchte. Leider verfüge ich nicht über die Mittel, es vollständig renovieren zu lassen. Es würde mich freuen, wenn ihr es euch einmal anschauen könntet und mir sagt, was alles gemacht werden müsste. Euer Quartier könnt ihr weiterhin hier behalten. Solltet ihr euch entschließen, die nötigen Reparaturen selber durchzuführen, könnte ich euch eine Unterkunft auf dem von mir bewohnten Teil der Burg anbieten. So wärt ihr gleich an eurem Arbeitsplatz." Ihre Stimme war so süß, dass sie einen einlullte. So saß ich da, nahm ihre Worte zwar wahr, aber ihr Sinn entging mir eine Zeit lang. Doch dann zwang ich mich aufpassen, denn irgendwann würde sie mich sicher etwas fragen. Doch dieser Zustand war nur von kurzer Dauer. "Ihr könnt bereits morgen mit der Besichtigung meines Anwesens beginnen, ...
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