1. Reif


    Datum: 14.07.2018, Kategorien: 1 auf 1,

    heraus. Noch mehr Mist. Auch er traute sich nicht durch den Regen und blieb im Eingang stehen. Martha kratzte sich am Ohr. Die Jahre hatten es nicht gut gemeint mit Marek Duracek. Während sie noch die traurige Gestalt vor dem Haus beobachtete, wurde die Beifahrertür aufgerissen, und ein nasses Etwas plumpste auf ihren lederbezogenen Beifahrersitz. "Hallo Martha." Weil er nicht wusste, wie er die Frau, die er vor fünfzehn Jahren das letzte Mal gesehen und mit der er damals nur wenige Worte gewechselt hatte, begrüßen sollte, streckte er ihr unsicher die Hand hin. Sie legte ein Päckchen Papiertaschentücher hinein. "Würdest du den Sitz bitte trocken wischen? Mein Mann ist da sehr heikel." Das konnte ja lustig werden. Vielleicht hätte er doch den Zug nehmen sollen. "Oh. Der Schlitten gehört dem Herrn Gemahl." "Nein. Er gehört mir. Er hat ihn nur bezahlt. Eines der wenigen sinnvollen Dinge, die er in den letzten Jahren gemacht hat." "Warst du eigentlich damals schon so bissig?" Seine Erinnerung an Martha war blass. Zweite Reihe, Fenster. In Mathematik bei den Besten. Bei Lehrern und Mitschülern beliebt. Hilfsbereit. Unauffällig. Nett. Heute war Martha in etwa so unauffällig wie der vom Ehegatten gesponserte Wagen. Nett war sie schon gar nicht. Und die kommenden drei Stunden würde er sich mit ihr über Integralrechnung unterhalten. Im günstigsten Fall. Er stopfte die Taschentücher in seine Lederjacke und schüttelte wie ein nasser Hund den Regen aus seinem Haar. Er war doch kein ...
    Hampelmann, der nichts Besseres zu tun hatte als ein fremdes Auto zu putzen. Als die Tropfen aus Mareks Haaren auf ihr Kleid spritzten, wünschte sich Martha den dicken Mann mit der Glatze auf den Beifahrersitz. Um die Situation nicht eskalieren zu lassen, holte sie tief Luft und startete den Motor mit einem sanften Schnurren. Marek gab einen bewundernden Pfiff ab. "Immerhin scheinst du nicht so langweilig zu sein, wie ich dich in Erinnerung habe", sagte sie dann. Das erschien ihr geeignet als Friedensangebot, ohne dass sie sich dabei unterlegen fühlte. Außerdem war es eine maßlose Schmeichelei. Sie konnte sich nämlich so gut wie gar nicht an Marek erinnern. "Ich darf doch rauchen, oder?" Gut. Nichts mit Frieden. Also nicht gut. "Aber sicher doch", säuselte Martha und zischte dann: "Draußen!" "War nur Spaß. Ich rauche gar nicht." Weil er nicht wusste, ob sie überhaupt Spaß verstand, schwieg er die nächsten dreißig Kilometer. Lehnte sich in die weichen Polster, ließ Neil Diamond singen, ohne ihn zu unterbrechen und schloss die Augen. Hin und wieder blinzelte er heimlich und betrachtete sie von der Seite. Verkniff sich ein Grinsen, als er bemerkte, wie sie den Bauch einzog. Ich mag Frauen, bei denen ein bisschen was dran ist, hätte er gern gesagt, aber in ihrer gereizten Stimmung würde sie das wahrscheinlich nicht als Kompliment, sondern als Beleidigung auffassen und ihm eine knallen. Ob er es trotzdem riskieren sollte? Auch eine Ohrfeige war eine Form von Berührung, eine sehr ...
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