1. Der Kirschbaum - plötzlich Farbe


    Datum: 18.02.2018, Kategorien: Erstes Mal,

    Berichterstattung so verfolgen zu können. Ja - das Entscheidungsspiel in Gelsenkirchen gegen die Schweden, das hatten sie alle dicht ins Wohnzimmer hin gedrängt unten gesehen - und dass Manfred nach dem unglücklichen 1:2 sogar Tränen in den Augen hatte, war ihm unverständlich geblieben. Es war doch nur Sport und Spiel gewesen. Dass auch Ungarn in der gleichen Gruppe spielte und Ildikó die Daumen für diese Mannschaft drückte, war ihm - Richard, als eher fanatischer Skifan auch recht egal gewesen. Aber er hatte den Ein­druck, sie würde diese Favorisierung auch fast justament deswegen so vehement vertreten, um ihren Mann zu verärgern. Andererseits war diese Gruppe so ausgeglichen und spannend ge­wesen, dass am Ende sowohl Schweden, als auch Ungarn und Öster­reich die gleiche Punkteanzahl erreicht hatten. Die Geräusche, die er im Jahr der Olympischen Spiele in München auch tagsüber von unten her gehört hatte, sie waren nun nicht ganz zwei Jahre danach fast noch vehementer zu hören. Des Abends und während der Nacht blieben aber die vielen Jas von Ildikó fast immer aus - aber das hatte wohl auch damit zu tun, dass ganz offenkundig der Fernseher in das Schlafzimmer der Eltern von Josef und Karin gewandert war. Man hatte ja dort den Kabelauslass und da musste man nicht mehr die Ver­längerung dieses Antennenkabels durch Wohnzimmer und Vorzimmer spannen. Damit hatten sie zwar auch die natürlichen Stolperstricke im Gang entfernt, dennoch passierte es gelegentlich, dass sowohl Ildikó ...
    als auch Karin gestürzt waren und den einen oder anderen blauen Fleck zu verbergen versuchen. Naja - auch ihm wäre es peinlich gewesen, wenn er eine gewisse Instabilität beim nächtlichen Toilettengang aufgewiesen hätte, aber dass sie zumeist mit dem Kopf im Bereich Auge und Wange sich an der Tür stießen, war doch ein etwas zu häufiger Zufall. Aber wenigstens hatten sie jetzt dort auch besseren Empfang, hatte Manfred noch eine weitere Begründung parat, die Richard eher Schulter zuckend und nebenbei aufgenommen hatte. Fernsehen, noch dazu in Schwarz­weiß, war ihm sehr egal, er vergrub sich lieber in seine Bücher und Träumereien. Aber zu diesem Thema der guten oder schlechten Qualität der Bilder hatte Manfred dann auch eine für die Familie großartig Ankündigung - mit dem Start der WM, also in etwa drei Monaten, da würde dann ein neuer Grundig bei ihnen aufgestellt werden. In Farbe! Aber noch gab es nur Schwarz-Weiß zu sehen, wenn überhaupt. Diese Geräusche hingegen, die Richard da eines Tages, als er ein wenig frü­her aus der Schule zurück kam, weil die letzten beiden Stunden ausge­fal­len waren, aus dem Schlafzimmer vernahm, die hatten sofort, ge­rade­zu schlagartig diesen Effekt in ihm erzielt. Ohne den exakten Grund genau zu wissen, und auch weil er eine zweite unbekannte männliche Stimme neben dem Gestöhne von Ildikó hörte, hielt es ihn implizit sofort davon ab, wie sonst üblich ans Küchenfenster zu klopfen. Ein paar Sekun­den später wäre er dann schon an der Tür und würde ihr ...
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