1. Der Schmied


    Datum: 26.10.2016, Kategorien: Sonstige,

    gewesen war, oder Veit sah in mir etwas anderes als in meinen Brüdern. Er nahm mich sozusagen unter seine Fittiche, konnte aber nicht immer auf mich aufpassen. Er brachte mir alles bei, was ich wissen musste und ich hatte so manches Mal den Eindruck, dass er mehr wusste als Vater. Bevor Vater mit meinem ältesten Bruder in den Ort fuhr, um Geschäfte zu tätigen, war Veit mitgefahren. Er war es eigentlich, der zu der Zeit Vater beibrachte, wie man handelte, wie man sich und seine Wahre auf dem Markt verkaufte. Veit konnte sogar rechnen und schreiben, was nur die wenigsten beherrschten. So kam es, dass er mich oft mitnahm, wenn er die Felder bestellte oder andere Tätigkeiten verrichtete. Diese Zeit war dann die glücklichste in meinem bisherigen Leben, an die ich mich erinnern kann. In den Pausen, die wir machten, brachte er mir das Rechnen und Schreiben bei, wobei mir das Rechnen mehr gefiel. Er meinte, dass wenn ich schon körperlich nicht mithalten konnte, doch wenigstens geistig überlegen sein sollte. Gut, es brachte mir in diesen Zeiten wenig, da in meiner Situation die Faust immer noch mehr bedeutete als die Feder. Aber Veit meinte, dass es nicht schaden könnte. Vielleicht würde es mir einmal helfen. Heute weiß ich, dass ich Veit viel zu verdanken habe. Leider konnte ich ihm niemals dafür danken. Dann kam der Tag, der alles veränderte. Dieser fing eigentlich ganz normal an. Es war im frühen Herbst des Jahres 1016. Die Ernte war noch schlechter gewesen, als sie Jahre zuvor. ...
    Das Wetter hatte uns vollkommen in Stich gelassen. Zuerst wollte der Winter nicht enden, selbst im späten April, fror es noch einmal und ein leichter Schneefall blieb liegen. Die schon vorbereitete Aussaat konnte nicht erfolgen und so kam erst Mitte Mai die Saat unter die Erde. Diese verfaulte aber fast ganz, denn nach der Kälte kam der Regen. Das Wasser stand auf den Feldern und konnte nicht in dem gesättigten Boden versickern. Die Feldfrüchte die es trotzdem schafften zu keimen und wachsen, blieben unter der erwarteten Größe und wurden nur sehr langsam reif. Die Erträge waren dementsprechend gering, kaum größer als das Saatgut, was man mühevoll unter die Erde gebracht hatte. Hunger war vorprogrammiert und das Selbst bei uns. Im späten Herbst war unser Vorratsspeicher nicht einmal halb voll, bedeutete also nur die Hälfte der Menge, die wir für uns benötigten. Doch in unserer Not ging es uns noch relativ gut. Menschen ohne ein Stückchen Land, hatte es weitaus schlechter getroffen. Die Preise auf den Märkten explodierten. Eigentlich hatte keiner mehr etwa abzugeben und das, was noch da war, war mehr als schlechter Qualität. Der Hunger hielt Einzug, gefolgt von Krankheiten, die sich über die geschwächten Körper der Menschen hermachten. In dieser Zeit war sich jeder der Nächste. Menschen wurden für einen Leib Brot getötet, wer essen konnte, der überlebte. Was sollten die Menschen tun. Einige schlossen sich zu Banden zusammen, waren dazu bereit alles dafür zu tun, um nicht zu ...
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