1. Der Junge aus dem Schwabenland


    Datum: 25.02.2017, Kategorien: Schwul,

    Der Junge aus dem Schwabenland Die Lichter von Meersburg glitzerten in der Ferne, die Positionslichter der Fähre von Konstanz tauchten hinter der Insel Mainau auf. Das Schiff zog eine dunkle Bahn durch das im Mondlicht schimmernde Wasser des Bodensees. Ich saß unter einem alten Nußbaum, unterhalb des Örtchens Litzelstetten, dicht an der Grenze zum Mainauer Naturschutzgebiet. Eine warme Augustnacht. Ich blickte über den Überlinger See, hörte auf meinem aller ersten I-Pod eine Raubkopie des neusten Albums von Rosenstolz. Die letzten Autos verließen die Insel über die hölzerne Brücke, nur noch Licht in der Schwedenschänke und den dazugehörigen Wirtschaftsgebäuden. Die Bauern im Ort lagen längst in ihren Betten, der nächste Hof war sicher fünfhundert Meter entfernt, unter mir nur Viehweiden, abgelöst von einigen Espen, dann breite Schilfgürtel am Seeufer. Ich war allein, und ich fühlte mich gut, wurde eins mit der Nacht, der Musik aus meinen Kopfhörern. Plötzlich sah ich ihn. Er stand nur da, schaute in meine Richtung, war wohl den Weg von Dingelsdorf gekommen. Ich war nicht erschreckt, aber mit einem Schlag wieder in der Realität. Der Himmel war kaum bewölkt, der Mond wenige Tage nach Vollmond, genug Licht, um die Gestalt deutlich wahrzunehmen. Ziemlich jung, offenstehende Lederjacke, weißes T-Shirt, abgetragene Jeans, blonde, halblange Haare. Er hatte mich auch gesehen, oder die Musik aus meinen Kopfhörern gehört, denn seine Blicke versuchten, den Schatten des Nußbaumes zu ...
    durchdringen. Ich schaltete den I-Pod ab, schob die Kopfhörer in den Nacken. Der Junge war nun zu einem Entschluß gekommen, verfolgte weiter den Weg,näherte sich Schritt für Schritt dem Baum, unter dem ich saß. "Guten Abend..." Singendes, weiches allemannisches Schwäbisch, etwas höhere Stimme als meine. Ich nickte zurück, erwiderte seinen Gruß. Ich konnte nicht viel von ihm sehen, aber eben doch genug, um ihn dem Gefühl nach anziehend zu finden, ohne genau den Grund zu wissen. Er ging weiter bis zur Weggabelung, schlug dann den Weg seewärts ein, blickte noch einmal kurz auf mich, bevor er hinter Büschen aus meinem Gesichtsfeld geriet. Mir erschien es fast wie eine Aufforderung, ihm zu folgen. Ich zögerte nur wenige Augenblicke, folgte ihm dann auf dem abschüssigen Weg. Ich hatte nichts Bestimmtes im Sinn, vielleicht nur einen genaueren Blick auf ihn, vielleicht ein kurzes Gespräch. Etwa hundert Meter vor mir sah ich ihn auftauchen, ich beschleunigte meinen Schritt, kam näher, holte ihn schließlich ein. Er hatte mich bemerkt, lehnte an einem Zaunpfahl. Nur einen Schritt von ihm entfernt blieb ich stehen. Kurzer, prüfender Blickkontakt. Er lächelte, ich lächelte zurück. Frisches, offenes Gesicht. Er strich sich mit zierlichen Händen durch die blonde Mähne. "So spät noch unterwegs?" Ich zuckte die Achseln. "Nachts ist es am Schönsten..." "Ich treibe mich nachts auch gerne hier am See herum." Gut zu hören, daß er auch kein Ziel hatte. "Ich heiße Jan-Ole, zu Besuch bei Verwandten in ...
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