1. Mars & Venus (vollständig)


    Datum: 26.07.2018, Kategorien: Sonstige,

    Man begibt sich in den Bereich des Mythos, weil dort alles erlaubt ist. Die Sage ist eine Hure, sie lässt alles mit sich machen. Und Hesiod, Homer und Ovid waren ihre größten, ihre bekanntesten Zuhälter. Sie haben, sofern es sie überhaupt gab (siehe "Homerische Frage"), Geschichten in die Welt gesetzt, die seitdem von etlichen anderen befruchtet, geschwängert und vergewaltigt worden sind. Denn das Gute ist: Es regt sich kein Protest dagegen (und falls ja, wie im Falle von Christa Wolf z.B., dann wird dieser von autorisierter Seite eher belächelt, denn beklagt). Früher, bevor es Wissenschaften gab und Philosophie, war alles Mythos. Und auch heute neigt so mancher Un- oder schwer Erklärliches mythologisch verklären zu wollen - siehe Intelligent Design u.Ä. Denn die Sage ist dehnbar und lässt sich vereinnahmen, sie füllt die Lücken, die die Wissenschaft übrig lässt. Sie ist die Spielwiese der Phantasie. Mars und Venus Sie - man stelle sich eine Art Anna Netrebko vor, ein Vollweib eben - hatte in jungen Jahren ihn, einen wesentlich älteren Mann geheiratet. Früher hätte man das vermutlich "Vernunftsehe" genannt. Aber Vernunft - oder Logos - ist der Feind der Emotionen. Und so verwundert es kaum, dass sie, wenn sich die Gelegenheit ergab, Abenteuer suchte. Und bei wem sollte sie ein besseres finden als bei dem draufgängerischen jungen Dozenten, den sie bei einem von der Hochschule, an der er und ihr Mann beschäftigt waren, gegebenen Bankett kennengelernt hatte? Er war keine ...
    vierzig Jahre alt, etwas jünger als sie, hatte graumeliertes lockiges Haar und einen Blick, von dem sie glaubte, er würde sie durchdringen. Er leitete Veranstaltungen zum Thema Militärgeschichte und war, das hatte sie von ihrem Mann, der vielleicht ihr Interesse an dem feschen dynamischen Typen erahnte, eine Größe auf dem Gebiet. Er war sehr elegant gekleidet, hatte aber auch etwas Non-Chalantes an sich, einen Wesenszug, der ihr sehr gefiel und nur noch verführerischer machte. Und dann nochmal diese tiefblauen Augen, die sie, als sie einander vorgestellt wurde, auszuziehen, aufzufressen schienen. Sanft aber bestimmt drückte er bei der Begrüssung ihre Hand und hätte sie vielleicht nicht losgelassen, wenn sie sie ihm nach einer Weile nicht selbst entzogen hätte. Sie kicherte verlegen. Das kann ihrem Mann nicht entgangen sein - dachte sie. Er aber zeigte wenig Interesse. Ach, ihr Mann! Für den gab´s nur seine Arbeit und sonst nichts. Die ersten Jahre ihrer Ehe sind noch ganz nett gewesen. Ihr Mann war geistreich, humorvoll. Sie verstanden sich gut, hatten auch viel Spaß im Bett. Doch in letzter Zeit machte sich der Altersunterschied zwischen ihnen bemerkbar. Er ging stramm auf die 60 zu. Sie war gute 15 Jahre jünger und, wie man so sagt - noch "voll im Saft". Und dieser - sie lernte die Viersäftelehre durch ihren Mann - brodelte in ihr bisweilen sehr. Zunächst begann sie sich in das Reich der Phantasie zu flüchten. "Schweifte sichtlich in schwerelose Sphären ab, malte sich manchmal ...
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