1. Ich hab dich gehört


    Datum: 12.03.2018, Kategorien: Voyeurismus / Exhibitionismus,

    Grenzüberschreitungen? Tim vertraute seiner Frau, weil es das Einzige war, das ihm blieb. Sie war doch über solche Momente hinweg, oder? Schwach werden. Was bedeutete das schon, wenn man verheiratet war und Kinder hatte? Tim war nie schwach geworden in all den Jahren. »Alles gut«, sagte er. »Mariella schläft.« Er hörte ein Rauschen, dann ein Kichern, wieder Rauchen, als ob sich etwas auf das Mikrofon legte. »Was sagst du?«, nuschelte sie ins Telefon. »Nichts, alles gut.« »Also, bis später.« Die Verbindung brach ab. Tim ließ das Handy sinken. Den Rest des Abends zappte er ziellos durch das Fernsehprogramm und versuchte, den Gedanken an die Party zu verdrängen. Wen kannte er? Die Mechaniker? Die Buchhaltung? Keinen wirklich richtig. Aber er wusste, dass unter den vielen Mitarbeitern viele Typen waren, die dem Prototyp des Machos entsprachen, Arbeiter mit Migrationshintergrund, die ihre kurzen schwarzen Haare mit viel Gel pflegten und ihren Dreitagebart als dünnen Rand am Kinn stehen ließen. Typen, die Frauen hinterherpfiffen. Typen wie die, mit denen Sabrina zusammengewesen war, bevor sie Tim geheiratet hatte. Aber jetzt war sie erwachsen geworden, reifer, verantwortungsbewusster. Nie würde sie so nachlässig mit seinen Gefühlen umgehen, nie würde sie den Vater ihrer Kinder vergessen, auch nicht nach zu viel Alkohol. Und bestimmt war sie mit ihrer Freundin zusammen, Sara oder so, die im Marketing arbeitete. Sie waren schon häufiger alleine weggegangen, ins Kino oder in die ...
    Kneipe, auf Konzerte oder sogar einmal ein Wochenende in ein Wellnesshotel zwei Autostunden entfernt. Was sie denn so machen würden, hatte Tim einmal gefragt, und Sabrina hatte beiläufig erwidert, sie täten das, was Frauen halt so machten, wenn sie alleine waren. Lachen, Trinken und es sich gut gehen lassen. Sabrina hatte ihn geküsst und ihm dann im Bett alle Wünsche erfüllt. So war sie, seine Sabrina. 3. Als das Handy klingelte, war Tim gerade vor dem Fernseher eingeschlafen. Es lief irgendeine seltsame Serie über Vampire oder andere Untote. Nichts, was er nicht schon einmal gesehen hatte. Am Ende wiederholte sich alles. Das Display zeigte die Uhrzeit (es war kurz nach Mitternacht) und Sabrinas Nummer, und als er abhob, erwartete er, dass sie irgendwo im Taxi saß und ihn darüber informierte, sie käme in zehn Minuten. Doch als er den Anruf annahm und ein leises »Hallo« ins Mikrofon hauchte, hörte er erst einmal nur Rauschen, dann Rascheln. Er sagte noch einmal »Hallo«. Als noch immer keine Antwort kam, wusste er, dass das Telefon wieder aus Versehen die zuletzt gewählte Nummer angerufen hatte. Wenn man den kleinen Riegel auf dem Display von links nach rechts schob, kam man sofort auf den Starbildschirm. Und dann reichte eine Berührung mit einem Taschentuch oder dem Schlüssel oder einer in die Hosentasche gesteckten Hand. »Hallo«, sagte Tim ein letztes Mal. Vielleicht saß sie im Taxi, und beim Einsteigen hatte sich die Tastensperre gelöst, doch dann identifizierte er im Hintergrund ...