1. Die alte Villa am Stadtrand


    Datum: 11.02.2018, Kategorien: Erstes Mal,

    Es ist Sommer. Es Sommer im Jahr 1995. Es ist brühend heißer Sommer in einer brandenburgischen Kleinstadt. Es ist Sommer und wir sind jung. Jung und perspektivlos. Die Wende liegt jetzt ein paar Jahre zurück. Die meisten meiner Freunde und ich haben es irgendwie geschafft die Ausbildung trotz dem Chaos der Wendejahre zu beginnen und inzwischen auch zu beenden. Und nun sind wir bis auf wenige Ausnahmen alle arbeitslos und verlottern tagsüber unsere Zeit am kleinen Fluss der unsere Stadt streift. Perspektive auf Arbeit gibt es nicht und so machen wir uns den Gassenhauer von Vicky Vomit zur Hymne. "Gut gelaunt und Sorgenfrei. Arbeitslos und Spaß dabei!" grölen wir regelmäßig den Refrain mit, der aus einem alten "Ghettoblaster" schreit. Wir, das sind meist 5 Jungs und 2 Mädels. Wenn die Langeweile zu groß wird ziehen wir Punks uns in die Glut der Plattenbauten zurück um dort die Leute mit unserer bloßen Anwesenheit zu ärgern. Meist kommt es dann aber mit den Nazis aus der Innenstadt oder der Polizei zu unschönen Auseinandersetzungen und so lassen wir es meist lieber bleiben. Allein der Gang zum Getränkehandel bleibt uns in regelmäßigen Abständen nicht erspart. Alles in Allem bin ich zufrieden. Ich bin Jung und über die Zukunft kann ich mir auch in Zukunft den Kopf zerbrechen. Auch der heutige Tag verspricht nicht anders zu werden, als die letzten gefühlten 365. Doch da sollte ich mich täuschen. Wütend kommt Kuddel, so nennen wir unseren Jüngsten mit seinem Drahtesel um die Ecke ...
    gesaust. Er hat vor wenigen Wochen seine Tischlerausbildung beendet und wartet nun jeden Tag auf eine Entscheidung seines Chefs ob er übernommen wird oder nicht. Ich sah in sein Gesicht und kannte die Antwort auf die noch nicht gestellte Frage. "Dieses Arschloch! Letzte Woche noch hat er mir Hoffnung gemacht. Aber da musste ja noch die Praxis vom Herrn Doktor fertig werden. Nun hat er mich rausgeschmissen. Von wegen keine Arbeit da." Ohne ein Wort zu sagen werfe ich Kuddel ein Bier zu und nicke ihn verstehend zu. Auch die anderen kommen zusammen und jeder der nicht ohnehin ein Bier in der Hand hat macht sich jetzt eins auf. Klirrend stoßen wir an und trinken unser Bier. Keiner sagt etwas. Haben wir uns doch alle insgeheim Hoffnung gemacht, dass wenigstens Kuddel einen Job bekommt. Lizzy, eins unser Mädels steht auf geht kurz zu Kuddel nimmt ihn kurz in den Arm und geht dann zum Ghettoblaster. "Danke" murmelt ihr Kuddel noch hinterher. Lizzy macht uns bestimmt 3-millionen mal gehörtes Mix-tape an. Die Bands wie Kapitulation Bonn und Dritte Wahl lassen uns schnell auf andere Gedanken kommen. Die Texte können wir alle seit langem auswendig. Mit Hilfe von Bier und Musik bessert sich die Stimmung bis Ralle schließlich feststellt, dass "dit Bier is ja schon wieder leer!" Scheiße! Naja widerstrebend stehen wir alle auf und ziehen in Richtung Stadt. Dabei kommen wir wie immer an einer alten leerstehenden Villa vorbei. In der Villa haben mal ein russischer Offizier und seine Familie ...
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